Als der Whistleblower Adam Quadroni 2009 das kantonale Tiefbauamt über illegale Preisabsprachen der Bauunternehmer im Unterengadin informierte, glaubten ihm hochrangige Mitarbeiter nicht. Dies geht aus einer Untersuchung von unabhängigen Professoren im Bereich des Bau- und Staatsrechts der Universität Freiburg hervor. Die von der Bündner Regierung in Auftrag gegebene Studie wurde am Donnerstag in Chur den Medien vorgestellt.

Die Tiefbauamt-Kader hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt, hiess es an der Medienkonferenz. Sie hätten die Meldung des reuigen Kartellmitglieds an die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) weiterleiten können. Weil die Führungspersonen aber an Quadronis Glaubwürdigkeit zweifelten, handelten sie nicht. Der Whistleblower wandte sich schliesslich 2012 selber an die Weko.

Dank und Anerkennung von der Regierung

Dafür verdiene Quadroni Respekt, Dank und Anerkennung, sagte Regierungspräsident Mario Cavigelli anlässlich der Präsentation der Untersuchungsresultate. Er habe Mut gezeigt, in dem er das Tiefbauamt sowie die Weko über das illegale Baukartell im Unterengadin informierte.

Die Verletzung der Sorgfaltspflicht durch hochrangige Mitarbeiter des Tiefbauamts, nachdem sie an den Aussagen des Whistleblowers zweifelten, sei zu bedauern. Das hätte aber keine Entlassungen zur Folge, so Cavigelli weiter.

Die Parlamentarische Untersuchungskommission (Puk) zum Bündner Baukartell war in ihrem Bericht vom Mittwoch zum Schluss gekommen, dass Mitarbeitende des Tiefbauamtes Verdacht auf das Kartell und später auch Kenntnisse davon gehabt hatten. Sie hätten aber nichts unternommen. Die Puk beurteilte die Unterlassungen der Führungspersonen im Tiefbauamt als Verletzungen der Dienstpflicht.

Im Zuge der Untersuchung der Freiburger Professoren kam weiter hervor, dass mindestens eine Liste des Tiefbauamts zu Bauunternehmern gelangte, mit detaillierten Angaben zu geplanten Bauprojekten. Wie, ist bis heute unklar. So könne auch ein Diebstahl nicht ausgeschlossen werden. Der Inhalt der Liste sei zwar nicht geheim gewesen, hätte aber eine Preisabsprache begünstigen können.

Die Experten fanden aber keinerlei Hinweise, dass Mitarbeitende des Tiefbauamts und des Baudepartements das Baukartell im Unterengadin aktiv begünstigten. Auch könnten Mitarbeitenden des Kantons generell keine Fehler vorgeworfen werden, weil sie die Preisabsprachen nicht erkannten.

Nicht zuletzt war die gesetzliche Grundlage im untersuchten Zeitraum von 2004 bis 2012 nicht so entwickelt gewesen wie heute. Im interkantonalen Vergleich habe der Kanton Graubünden aber grundsätzlich eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung von illegalen Preisabsprachen eingenommen. Speziell würdigten die Professoren den Einsatz von Präventivmassnahmen gegen die Absprachen nach 2012.

Auf in die neue Normalität

Cavigelli betonte, dass der Kanton das Opfer in der Kartellgeschichte sei. Er sei jahrelang bei Bauprojekten hintergangen worden. Deshalb hätten die am Kartell beteiligten Unternehmen Bussen in Millionenhöhe bezahlen müssen.

Auch die Mitarbeitenden des Kantons haben stark unter dem Kartell gelitten, wie Cavigelli sagte. So sind sie beispielsweise auf der Strasse beschuldigt worden, an den Preisabsprachen mitgewirkt zu haben.

"Ziel ist es nun, eine neue Normalität zu finden und zu leben", erklärte Cavigelli. Dank diversen Massnahmen solle eine erneute Kartellbildung nicht mehr vorkommen.

(AWP)