Aktuell wisse man nicht, wie viele Visa in der Schweiz vergeben wurden, aber das Staatssekretariat für Migration sei daran, dies zu klären. Berücksichtigen müsse man hier die Situation von russischen Diplomaten, sagte die Bundesrätin.

Keller-Sutter plädierte ausserdem dafür, die Massnahmen gegen Russland zu verschärfen. Die Bundesverwaltung arbeite daran. Details nannte die Justizministerin nicht. Sie könne den Diskussionen im Bundesrat am Montag nicht vorgreifen.

Einreise in Schengen-Raum

Hauptthema am Ministertreffen war jedoch der Umgang mit den in den Schengen-Raum geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern oder jenen, die noch kommen werden.

Polen zähle zurzeit etwa 250'000 Geflüchtete. "Es zeigt sich aber, dass es praktisch keine Asylgesuche gibt." Viele seien bei Freunden und Verwandten untergekommen. "Man war sich einig, dass man sie einreisen lassen soll", sagte Keller-Sutter.

Ausserdem könnten die Ukrainerinnen und Ukrainer ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen. Eine wichtige Frage, die jetzt geklärt werden müsse sei, was nach 90 Tagen geschehe, sagte die Bundesrätin weiter. Denn dieser visafreie Aufenthalt im Schengen-Raum gilt nur für 90 Tage.

Aufenthalt ohne Visum

Die EU-Kommission habe deshalb die Aktivierung einer speziellen Richtlinie für vorübergehenden Schutz vorgeschlagen. Diese Richtlinie sieht vor, dass Personen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, bei denen jedoch trotzdem die Gefahr besteht, bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland einen ernsthaften Schaden zu erleiden, für mindestens ein Jahr ohne Visum bleiben dürfen.

"Ich hatte den Eindruck, dass die Mitgliedsstaaten hier praktisch einig waren", sagte die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD).

Diese EU-Richtlinie entspreche in der Schweiz dem Status, der einen vorläufigen Aufenthalt für mindestens ein Jahr gewährt. Man werde nun prüfen, was genau der Unterschied zwischen der EU-Richtlinie und dem S-Status der Schweiz sei. Wahrscheinlich werde man am kommenden Donnerstag beim nächsten Treffen der EU-Innenminister darüber entscheiden.

Aussengrenze schützen

Hingegen wies Keller-Sutter darauf hin, dass gerade in ausserordentlichen Situationen wie dieser der Schutz der Aussengrenzen aus Sicherheitsgründen aufrechterhalten werden müsse. Denn es solle verhindert werden, "dass im Schlepptau" der Grenzöffnung für Ukrainerinnen und Ukrainer andere Personen illegal in den Schengen-Raum gelangen.

Dazu müsse etwa die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden. Als Schengen-Mitglied beteiligt sich die Schweiz am EU-Aussengrenzschutz.

Falls sich dereinst die Frage nach der Aufnahme von Flüchtlingen stelle, werde sich auch die Schweiz daran beteiligen, sagte die Bundesrätin weiter. Eine Zahl wollte sie nicht nennen. Das sei aktuell zu hypothetisch. Die Vereinten Nationen (Uno) erwarten bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine.

Keller-Sutter verurteilt Aggression

Keller-Sutter verurteilte zudem erneut den russischen Angriff auf die Ukraine. "Diese russische Aggression ist eine grosse Verletzung des Völkerrechts", sagte sie.

Die demokratischen Werte und die Freiheit stünden auf dem Spiel. Die Schweiz werde sich solidarisch zeigen, wenn es darum geht, diese zu verteidigen.

Auch der Ukraine, den Menschen und ihren Familien in der Ukraine sicherte die Bundesrätin Solidarität zu. Diese tragische Situation erinnere sie an den Einmarsch der Sowjets 1956 in Ungarn und 1968 in die Tschechoslowakei.

(AWP)