Die Entschädigungen für die Versorger für den Verzicht auf klimaschädliche Braunkohle beliefen sich im Westen auf 2,6 Milliarden Euro und im Osten auf 1,75 Milliarden Euro, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin. Diese Summen gingen an Unternehmen, die ihre Meiler in den 20er Jahren stilllegten. Sie würden über einen längeren Zeitraum ausgezahlt. Der von Umweltschützern vor den RWE-Baggern verteidigte Hambacher Forst soll erhalten werden, das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln 4 geht wohl ans Netz.

"Wir werden das Zeitalter der Kohleverstromung damit planbar und wirtschaftlich vernünftig beenden. Das ist ein grosser Erfolg", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das Kohleausstiegsgesetz werde die Bundesregierung am 29. Januar auf den Weg bringen. Das Gesetzgebungsverfahren soll im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen werden.

Bundesregierung und Länder hatten sich in der Nacht auf einen Zeitplan für die Abschaltung der Braunkohle-Kraftwerke in Deutschland verständigt. Den Anfang soll nach dem sogenannten Stilllegungspfad noch in diesem Jahr der Energieriese RWE im Rheinland machen, bis 2038 sollen auch die letzten Anlagen der Leag im Osten in der Lausitz vom Netz. "Das waren harte Verhandlungen. Sie haben sehr lange gedauert", sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Wir sind das erste Land, das verbindlich aus Atom und Kohle aussteigt. Wir brauchen jetzt aber einen massiven Ausbau der Energie aus Wind und Sonne, damit dieser Ausstieg auch wirklich verbindlich gelingt." Der Bund will ferner für die Sozialpläne betroffener Kumpel bis 2043 ein sogenanntes Anpassungsgeld zahlen - allein im Westen beläuft sich dies auf 700 Millionen Euro. RWE äusserte sich zunächst nicht. Der Konzern steht seit Jahren bei Umweltschützern stark in der Kritik und wandelt sich gerade zu einem Ökostromriesen.

Neues Steinkohlekraftwerk sorgt für Widerstand

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, das umstrittene Uniper-Steinkohlekraftwerk Datteln 4 werde ans Netz gehen. Es sei allerdings bei den jüngsten Beratungen im Kanzleramt nicht viel darüber gesprochen worden. Dabei ging es um die Braunkohleanlagen. "Wir begrüssen es, dass es auf dem Weg zu verbindlichen Rahmenbedingungen beim Kohleausstieg in Deutschland vorangeht", sagte ein Uniper-Sprecher. Uniper habe das klare Ziel, sein Portfolio und seine Aktivitäten weiter zu dekarbonisieren. "Allerdings sind auch der Anstieg des Energiebedarfs und ein sozialverträglicher Übergang in die Energiezukunft Teil dieser Gleichung."

Bei der Wirtschaft stiess die Einigung auf ein gemischtes Echo. BDI-Präsident Dieter Kempf bezeichnete diese als unbefriedigend. "Wir sehen einige zentrale Punkte des bestehenden Kohlekompromisses gefährdet. Von einem Ausgleich für Netzentgeltsteigerungen, der im Wesentlichen allen Stromkunden zum Vorteil gekommen wäre, ist jetzt keine Rede mehr." Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, der Kohlekompromiss sei aus Sicht der Unternehmen überfällig. "Gut ist, dass sich dieser in vielen Punkten sehr eng an die Empfehlungen der Kommission 'Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung' anlehnt. Dabei ist für die Wirtschaft entscheidend, dass die Versorgungssicherheit auf höchstem Niveau erhalten bleibt und sich der Wettbewerbsnachteil durch hohe Strompreise nicht noch weiter verstärkt."

Kritik gab es unter anderem von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Es ist ein verheerendes Signal der Regierung (von Bundeskanzlerin Angela) Merkel, jetzt ein neues Kraftwerk mit Datteln 4 ans Netz zu nehmen in Zeiten, wo in Australien die Wälder brennen, in Indonesien die Wälder brennen und wir auch in Deutschland die dramatischen Folgen des Klimawandels schon jetzt spüren", sagte Greeenpeace Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaiser Reuters-TV.

Bund sichert Ländern 40 Milliarden Euro zu

Noch einmal klar gestellt wird in der Vereinbarung, dass die Länder Hilfen für den Strukturwandel in Höhe von 40 Milliarden Euro erhalten. Dies soll bis Mai in einer Bund-Länder-Vereinbarung festgeschrieben werden. Der Bund sichert ferner die Errichtung von Forschungszentren in den betroffenen Regionen zu. Im Zuge des Ausstiegspfads soll 2026 und 2029 geprüft werden, ob Kraftwerke drei Jahre schneller als geplant vom Netz gehen könnten. So wäre ein Kohleausstieg bis 2035 möglich.

Die Kohlekommission der Regierung hatte vor einem Jahr Leitplanken gesetzt, die nun umgesetzt werden sollen. Spätestens 2038 soll das letzte Kraftwerk vom Netz sein. Der Kohleausstieg ist eines der letzten grossen Vorhaben der Regierung im Zuge des Klimapakets. Deutschland will damit sicherstellen, seine Ziele für 2030 zu erreichen. Dann soll 55 Prozent weniger CO2 ausgestossen werden als 1990.

(Reuters)