Ab 2021 drohen hohe Strafen, wenn es der Branche nicht gelingt, die CO2-Vorgaben der EU zu erfüllen. Schon einige Gramm zu viel können einen Autobauer dann Hunderte Millionen Euro Strafe kosten. "Die Ziele wird man nur erreichen, wenn man Null-Emissions-Fahrzeuge in die Flotte aufnimmt", sagt Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. Doch die Massenproduktion von reinen Elektroautos ist noch Zukunftsmusik. Deshalb tüfteln Ingenieure intensiv an bezahlbaren Alternativen - die "milde" Hybridtechnik mit 48 Volt ist hier der heisse Kandidat.

Während die Politik schon über den dritten Schritt zur Reduktion des CO2-Ausstosses von Fahrzeugen bis 2030 diskutiert, müssen die Autobauer erstmal Stufe zwei erreichen: Bis 2021 soll die Personen-Neuwagenflotte in der EU im Schnitt die CO2-Emissionen auf 95 Gramm je Kilometer von 130 Gramm im Jahr 2015 senken. Nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes lag der Durchschnitt in Deutschland fast in jedem Monat dieses Jahres mit rund 128 Gramm leicht über dem Vorjahr. Damit sind 2017 voraussichtlich erstmals seit Inkrafttreten der Vorschriften 2009 die Emissionen nicht mehr gesunken. Für jedes Gramm über dem Limit muss der Hersteller 95 Euro Strafe je verkauftem Fahrzeug berappen.

Schuld an der Entwicklung ist nicht zuletzt der von der Branche selbstverursachte Abgasskandal, der die Nachfrage nach Diesel-Fahrzeugen hat einbrechen lassen. Sie stossen zwar mehr Stickoxid aus, aber weniger CO2. Viele Kunden sind wegen drohender Fahrverbote in Grossstädten verunsichert - und greifen lieber wieder zum Benziner. "Wenn die Diesel-Zulassungen auf diesem niedrigen Niveau bleiben, werden die CO2-Ziele 2021 dramatisch verfehlt", prophezeit Autoprofessor Stefan Bratzel.

Durchfallen mit Ansage

Besonders dramatisch ist die Lage bei Opel. So offenbarte der neue Eigner PSA kürzlich, dass nach aktuellem Stand die Marke mit dem Blitz-Logo ihr CO2-Ziel verfehlen und zahlen müsste. PSA-Chef Carlos Tavares will nun Geldstrafen verhindern, indem Opel im Konzern zusammen mit den Marken Peugeot und Citroën schnellstens "elektrifiziert" wird.

Nach einer Schätzung der Unternehmensberatung PA Consulting werden aber auch andere deutsche Autobauer 2021 die Latte reissen: Daimler könnte dann noch 1,4 Gramm, BMW 4,4 Gramm und Volkswagen 4,0 Gramm zu viel CO2 in die Luft blasen. Bei einem Europa-Absatz von einer Million Fahrzeugen und fünf Gramm Überschreitung fielen dann etwa 475 Millionen Euro Bussgeld an, kalkuliert Bratzel, Chef des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Gerade für die deutschen Autobauer erweist sich die Vorliebe der Kunden für grosse, schwere SUV als zweischneidiges Schwert: Einerseits bringen sie viel Geld in die Kasse. Auf der anderen Seite belasten sie aber die Klimabilanz der Flotte. Zum Beispiel bei Daimler: 2015 rief Vorstandschef Dieter Zetsche zum "Jahr der SUV" aus. Prompt sank bis Ende 2016 bei Mercedes-Benz zum ersten Mal seit 2007 der Flottenschnitt nicht mehr. Er verharrte bei 123 Gramm pro Kilometer, was einem Durchschnittsverbrauch von fünf Litern auf 100 Kilometer entspreche. Angesichts des brummenden SUV-Absatzes dürfte sich der Wert in diesem Jahr nicht bessern. Die Schwaben setzen deshalb auf einen steigenden Absatz von Plug-in-Hybriden und die ersten Modelle der ab 2019 geplanten neuen E-Auto-Marke EQ - aber auch auf 48 Volt.

Volkswagen will die SUV-Welle demnächst erst richtig reiten. Mehr als 45 Modelle sind geplant. "Die Aufgabe, die CO2-Vorgaben zu erreichen, wird schwerer", räumte Finanzchef Frank Witter kürzlich ein.

Mit 48 Volt in die Zukunft

Ob komplett oder nur teilweise mit Batterieantrieb - der Hochlauf der Stromer geht zu langsam, um die CO2-Limits einzuhalten. Das liegt daran, dass bislang leistungsfähige Batterien fehlen, die auch so günstig sind, dass sie für einen Massenmarkt taugen. Zudem gibt es noch keine flächendeckende Ladeinfrastruktur.

Alternativ setzen nun immer mehr Hersteller und Lieferanten auf die "milde" Hybridtechnik, bei der ein Akku beschleunigen hilft und damit Kraftstoff einspart. Der Investmentberater Evercore ISI rechnet damit, dass die 48-Volt-Technik in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Der Autozulieferer Bosch will hier zum Marktführer werden und kalkuliert global mit rund 15 Millionen "mild hybriden" Neuwagen im Jahr 2025. Auch synthetischen Kraftstoffen wird von manchen Fachleuten eine grosse Zukunft prophezeit. Ihre Anwendung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, die Technologie ist noch zu teuer.

Dagegen wird Erdgas als Treibstoff für Fahrzeuge schon stärker genutzt, auch wenn die Fangemeinde klein ist. "Mit Erdgasfahrzeugen könnte man die CO2-Ziele relativ einfach erreichen", sagt Wolfgang Bernhart von der Unternehmensberatung Roland Berger. Sie stossen nur vergleichsweise wenig CO2 aus. Allerdings hätten die Fahrzeuge ein Imageproblem: Viele Kunden hätten Angst vor einer Explosion - dabei sei diese Gefahr sehr gering. Zudem fehle auch hier ein ausreichend dichtes Netz an Tankstellen. Das Huhn-oder-Ei-Problem betrifft also nicht nur das Elektroauto.

(Reuters)