Christine Lagarde sieht den Euroraum derzeit nicht auf eine Rezession zusteuern. Die Arbeitslosigkeit sei auf einem Tiefststand, der Sommertourismus werde stark, und die Haushalte hätten reichlich Erspartes, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank am Dienstag in einem Interview mit Bloomberg TV.

Diese positiven Effekte wirkten gegen den Negativschock des Ukrainekriegs und die steigende Inflation, so Lagarde im Gespräch mit Francine Lacqua am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. "Im Moment sehen wir keine Rezession im Euroraum", sagte sie. "Wir haben das nicht als Basisszenario."

Der Euro reagierte auf Lagardes Äusserungen mit einem Kurssprung, der frühere Verluste gegenüber dem Dollar wieder wettmachte und einen Höchststand von 1,0724 erreichte. Auch gegenüber dem Franken und dem Pfund erholte sich die Gemeinschaftswährung.

Erste Zinserhöhung der EZB im Juli

Lagarde äusserte sich einen Tag, nachdem sie in einem Blogbeitrag ihren Zeitplan für die nächsten Schritte der Zentralbank dargelegt hatte. Der Ausstieg aus den Negativzinsen werde wahrscheinlich Ende des dritten Quartals erfolgen, eine erste Zinserhöhung sei für Juli geplant.

Der Plan für zwei Zinserhöhungen um je einen Viertelpunkt im dritten Quartal hat informierten Kreisen zufolge die Falken im Rat verärgert, weil dies eine Anhebung um 50 Basispunkte effektiv ausschliessen würde.

"Wenn man aus dem negativen Bereich heraus ist, kann man bei Null sein, man kann leicht über Null sein," sagte Lagarde. "Das werden wir auf der Grundlage unserer Projektionen, auf der Grundlage unserer Forward Guidance bestimmen."

Lagarde wollte sich im Interview nicht dazu äussern, ob sie eine Erhöhung um 50 Basispunkte in Betracht ziehen würde.

Sie habe den künftigen Weg der Geldpolitik dargelegt, um "Erwartungen zu begegnen, die nicht unbedingt begründet waren", so die Präsidentin. "Wir befinden uns eindeutig an einem Wendepunkt, und ich hielt es für angemessen, zu diesem Zeitpunkt zu erklären, wohin die Reise geht."

(Bloomberg)