Delta bremse zwar die Erholung im internationalen Reiseverkehr und im Tourismus. Nach Einschätzung des obersten Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Coronavirus-Variante aber wahrscheinlich insgesamt nur begrenzte Folgen für die Konjunktur, wie Lane der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview sagte.

Inzwischen haben rund zwei Drittel aller Bürger in der 19-Ländergemeinschaft mindestens eine erste Impfung erhalten. In vielen Ländern gelten weiter präventive Gesundheitsmassnahmen wie Maskenpflicht und Regeln zur Wahrung sozialer Distanz. "Wegen hoher Impfraten und vorangegangener Lockdown-Massnahmen zählt Europa womöglich nicht zu den Regionen, die am härtesten von Delta getroffen wurden", sagte Lane.

Dem Chefvolkswirt zufolge hat sich die Wirtschaft im Euro-Raum im zweiten Quartal deutlich besser geschlagen als von der EZB gedacht. Aber es gebe auch gegenläufige Faktoren. In ihren Juni-Projektionen hatte die EZB für 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,6 Prozent vorausgesagt. Überarbeitete neue Projektionen sollen zur nächsten Zinssitzung am 9. September vorliegen.

PEPP im Fokus

Mit der Entscheidung, was mit dem auf 1,85 Billionen Euro angelegten Notfall-Anleihenkaufprogramm PEPP nach dem ersten Quartal 2022 geschehen soll, kann sich die EZB aus Sicht von Lane noch Zeit lassen. Ihm zufolge ist es jetzt noch zu früh, diese Diskussion zu beginnen, da die Käufe noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden sollen. "Wir wissen bereits, was wir bis März machen, nämlich günstige Finanzierungsbedingungen zu wahren. Daher haben wir diesen Herbst Zeit um auszuarbeiten, was danach kommt." Würde PEPP dann gestoppt, dürften die Anleihenkäufe - in der Fachwelt häufig als "QE" bezeichnet - zudem nicht komplett aufhören, signalisierte Lane.

Auf der September-Zinssitzung dürfte vor allem die Frage anstehen, mit welchem Tempo die PEPP-Käufe im nächsten Quartal fortgesetzt werden sollen. Richtschnur sei die Wahrung günstiger Finanzierungsbedingungen, sagte Lane. Könne dies mit geringeren Käufen erreicht werden, werde weniger erworben. "Wenn mehr Käufe erforderlich sind, werden wir mehr Käufe unternehmen." Im Juli erwarben die EZB und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder im Rahmen von PEPP Staatsanleihen, Firmenbonds und andere Wertpapiere im Volumen von annähernd 88 Milliarden Euro. 

(Reuters)