Aktuell sehe er zwar noch kein solches Szenario, sagte dessen Direktor Michael Hüther dem Portal "T-Online". "Das Risiko dafür steigt jedoch, sobald die Lohnstückkosten spürbar und in der Breite steigen – was mit deutlichen Lohnerhöhungen der Fall wäre."

Der Ökonom appellierte vor der von Bundeskanzler Olaf Scholz für Montag geplanten konzertierten Aktion an Arbeitgeber und Gewerkschaften. "Eine konzertierte Aktion kann eine kluge Lösung sein, um die Tarifpartner auf einen einheitlichen Informationsstand zu bringen und das Verständnis über die jeweiligen Handlungsbedingungen schärfen", sagte Hüther. "Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen über die Lohnpolitik eine grosse Verantwortung in der aktuellen Situation. Das sollte allen klar werden." Einmalzahlungen, wie Scholz sie jüngst vorgeschlagen hat, hält der Experte "für eine kluge Idee". Wenn sich die Situation etwas beruhigt habe, "werden tarifliche Lohnanhebungen wieder machbar".

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, lehnt solche Vorschläge indes ab. "Einmalzahlungen statt Lohnerhöhungen halte ich für falsch", sagte er "T-Online". "Ein normales, gesundes Mass an Lohnsteigerungen ist notwendig und sollte entsprechend in den Tariftabellen abgebildet sein." Dullien brachte erneut die Idee eines Gaspreisdeckels ins Spiel. Darüber solle die Politik "ernsthaft nachdenken", sagte er. "Auch das würde die Haushalte in Deutschland entlasten."

Die Inflationsrate ist im Juni auf 7,6 Prozent gefallen, nachdem sie im Mai mit 7,9 Prozent das höchste Niveau seit dem Winter 1973/74 erreicht hatte. Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr sorgten dabei für eine Entlastung der inflationsgeplagten Verbraucher. Experten warnen allerdings, dass die Preise im September wieder nach oben springen könnten, wenn die auf drei Monate befristete Massnahmen der Bundesregierung auslaufen. Bei einer Lohn-Preis-Spirale schaukelt sich die Inflation immer weiter nach oben, wenn Unternehmen gestiegen Lohnkosten an ihre Kunden weiterreichen. 

(Reuters)