Wegen der Befürchtungen über Lieferunterbrechungen aus Russland, einem der grössten Produzenten der Welt, schnellte der Erdölpreis der Sorte Brent auf 140 Dollar auf ein 14-Jahres-Hoch. Seither hat sich die Lage vordergründig beruhigt. Die Sorte Brent notiert bei 101 Dollar pro Barrel, was aber immer noch 28 Prozent über dem Stand von Anfang Jahr liegt. Dies lässt die Befürchtungen am Leben, dass der Inflationsdruck hoch bleiben und die Rezessionsgefahr wegen der gestiegenen Inputkosten und rückläufiger Auftragseingänge bei den Unternehmen zunehmen wird.

Preisentwicklung der Erdölsorte Brent seit einem Jahr (Quelle: cash.ch).

Vor einer Rezession warnt auch der legendäre Investor Jeremy Grantham, Mitbegründer des Vermögensverwalters GMO, in einer Mitteilung vom Mittwoch: "Im Westen sind historisch gesehen grosse Ölpreisspitzen wie die heutige immer einer Rezession vorausgegangen oder haben diese ausgelöst."

Grantham, der den Zusammenbruch der Dotcom-Blase und die Finanzkrise von 2008 vorhergesehen hat, warnte bereits Anfang dieses Jahres, dass sich die US-Wirtschaft dem Ende einer "Superblase" nähere, die Aktien, Anleihen, Immobilien und Rohstoffe umfasst. 

Langfristig rechnet Grantham mit steigenden Rohstoffpreisen

Eine Rezession würde laut Grantham den Anstieg der Rohstoffpreise wahrscheinlich unterbrechen, was den Inflationsdruck zumindest kurzfristig lindern dürfte. Diese hat im März in den USA mit 7,9 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren erreicht. Langfristig ist sich Grantham jedoch sicher, dass die Rohstoffpreise weiter steigen werden.

"Der anhaltende Nachfrageschub durch die globale Entwicklung wird für viele Jahrzehnte wiederholte Rohstoffboomzyklen antreiben," so Grantham. Und da die Menschheit mit der "dringenden, sogar existenziellen Notwendigkeit konfrontiert ist, die Wirtschaft zu dekarbonisieren, sollten wir eine grosse und unerwartete Ironie erkennen: Der gross angelegte Einsatz von Windmühlen, Solarparks und Strom-Übertragungsleitungen wird spektakulär ressourcenintensiv sein", schrieb er.

Eine im Ansatz ähnliche Sichtweise vertritt die US-Grossbank Goldman Sachs. Diese erwartet, dass die Inflation in den USA in diesem Jahr unter 4 Prozent bleiben wird. "Wir glauben, dass die Inflation in den USA jetzt ihren Höhepunkt erreicht hat", sagte Meena Lakdawala-Flynn, Co- Leiterin des Bereichs Global Private Wealth Management, am Donnerstag auf dem Bloomberg Wealth Summit in New York. "Wir glauben, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Jahr 2023 gestiegen ist."

Aufgrund dieses konjunkturellen Umfelds rechnet Goldman Sachs damit, dass das Wachstum bei Aktien dieses Jahr relativ flach ausfallen dürfte. "Bei den Aktien empfehlen wir unseren Kunden ein Engagement in Titeln, die über Preissetzungsmacht und starke Margen verfügen", sagte Lakdawala-Flynn, die das Geschäft seit Anfang 2021 zusammen mit John Mallory leitet.

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