Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 2,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf 2,3 Prozent erwartet. In ersten Reaktionen hiess es dazu:

Elmar Völker, LBBW: "Die heute gemeldete neuerliche Beschleunigung der Inflation in Deutschland kommt angesichts sich verstärkender positiver Basiseffekte nicht gänzlich überraschend. Gleichwohl liefern die Daten die nächste Steilvorlage, um die Debatte über eine Reflationierung der Wirtschaft nach der Corona-Krise weiter anzuheizen – Fortsetzung folgt in den kommenden Monaten mit Inflationsraten jenseits von drei Prozent im Sommer.

Hinsichtlich der Implikationen für die Geldpolitik im Euroraum ändert sich gleichwohl an der bisherigen Einschätzung erst einmal nichts: Die EZB wird weiterhin auf die temporäre Natur vieler Preiseffekte verweisen und auf die – vor allem für den Euroraum insgesamt – weiterhin sehr moderate Kerninflation. Letztere bereitet den Boden für ein deutliches Wiederabsinken der Teuerung im kommenden Jahr. Aussichten auf eine Zinswende bleiben damit weit entfernt."

Thomas Gitzel, VP Bank: "Die Inflationsdynamik wird derzeit unterschätzt. Die deutsche Teuerung zündet jetzt den Turbo. Da im vergangenen Jahr der Lockdown das Preisgefüge mächtig durcheinandergewirbelt hat und viele Produkte günstiger wurden, fällt jetzt im Jahresvergleich die Inflationsrate entsprechend hoch aus. Vor allem die gegenüber dem Vorjahr deutlich höheren Ölpreise machen sich nun mit einem entsprechend deutlichen Teuerungsanstieg bemerkbar. Die höheren Inflationsraten werden uns noch geraume Zeit begleiten. Im zweiten Halbjahr kommt die Mehrwertsteuerreduktion des Vorjahres zum Tragen.

So sehr das Thema Inflation die Deutschen derzeit beschäftigt, es wird sich nur um eine vorübergehendes Phänomen handeln. Im kommenden Jahr ist der Spuk vorbei. Deutschland, aber auch die Euro-Zone als gesamtes, werden längerfristig eher mit zu niedrigen als mit zu hohen Teuerungsraten zu kämpfen haben. Das weiss auch die EZB. Deshalb ruft der Inflationsanstieg derzeit auch keine Sorgenfalten hervor."

Michael Heise, Chefökonom HQ Trust: "Der aktuelle Anstieg kann als Vorbote weiterer Preissteigerungen in den kommenden Monaten gesehen werden. Neben den Preiserhöhungen bei Waren werden in den kommenden Monaten steigende Dienstleistungspreise das Bild prägen. Diese haben sich seit dem Beginn der Pandemie und im Zuge mehrerer Lockdowns sehr verhalten und in manchen Branchen auch nach unten entwickelt.

Hoffnungen auf einen Rückgang der Preisniveausteigerungen werden sich erst erfüllen, wenn die aktuellen weltweiten Angebotsengpässe überwunden sind und die gestiegenen Rohstoffpreise wieder zurückgehen. Anzeichen dafür gibt es derzeit noch nicht. Aber selbst wenn der Prozess bald einsetzt, werden bereits erfolgte Kostenerhöhungen auf die Verbraucherpreise weitergewälzt."

Holger Schmieding, Chefökonom Berenberg Bank: "Im kommenden Jahr wird sich die Inflation wieder deutlich beruhigen, auch wenn sie vermutlich nicht mehr auf die ganz niedrigen Niveaus von rund 1 Prozent aus den Jahren vor der Pandemie zurückfallen dürfte. Deutschland wird sich auf Raten um die 1,5 Prozent einstellen können. Dass Sondereffekte die Inflationsrate im zweiten Halbjahr kurz an vier Prozent heranführen könnten, ändert nichts daran: Inflation ist in Deutschland und der Eurozone auf absehbare Zeit kein grosses Problem. Die EZB wird sich durch die kurzfristigen Schwankungen der Inflationsrate wohl nicht beirren lassen und ihre Politik nur langsam wieder normalisieren."

(Reuters)