Vor der ersten TV-Debatte am 26. September zwischen Hillary Clinton und Donald Trump sah das Rennen eng aus. Zu diesem Zeitpunkt schien es denkbar, dass der Republikaner trotz seiner grellen Rhetorik genügend Stammwähler der Partei sowie Millionen von Proteststimmen gewinnen könnte, um ins Weisse Haus einziehen zu können. Zumal Clinton kurz davor am Gedenktag der Terrorakte vom 11. September einen spektakulären Schwächeanfall erlitten hatte.

In der ersten TV-Debatte schaffte Trump allerdings nicht jenen Auftritt, der die wahlentscheidenden unentschlossenen Wähler hätte überzeugen können. Er geriet dadurch unter Druck. Anfang Monat tauchten dann die Tonbandaufnahmen mit unflätige Äusserungen über Frauen auf, gefolgt von Belästigungsvorwürfen. Seitdem, so scheint es, taumelt Trumps Kampagne.

Clinton liegt in der aktuellen Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos mit 44 Prozent sieben Prozentpunkte vor Trump. Für den Milliardär aus New York sprachen sich 37 Prozent aus. Wer im Online-Wettbüro auf eine Clinton-Sieg setzt, bekommt derzeit 1,15 Prozent seines Einsatzes. Triumphiert Trump, gäbe es das 5,5-fache.

Noch drei Wochen Wahlkampf

Wer also eine kugelsichere Gewissheit besitzt, dass Hillary Clinton ihren langersehnten, ehrgeizig gehegten Traum von Einzug ins Weisse Haus erfüllen wird, kann sich als Anleger entsprechend Gedanken machen. Aber welche?

Gewählt wird am 8. November, also in weniger als drei Wochen. Je weniger unerwartet der Sieg Clintons am Ende ausfalle, desto weniger dürften die Finanzmärkte ausschlagen, sagt Felix Brill, Geschäftsführer der Beratungsfirma Wellershoff & Partners: "Mit den derzeit deutlichen Signalen, dass Clinton gewinnt, reduziert sich das Überraschungspotential."

Wird am 8. November klar, dass Hillary Clinton die nötigen Elektorenstimmen gewonnen hat, um Präsidentin zu werden, werden sich die Aktienbörsen weltweit – also auch in der Schweiz - bestätigt fühlen und mit Kursanstiegen reagieren. Trader können dies ausnützen. Dabei allerdings einen längerfristigen Trend abzuleiten, ist schwierig. Die erste Frau im US-Präsidentenamt wird die Börsen längerfristig nicht automatisch auf einen Höhenflug schicken.

Eher sollten sich die Anleger fragen, wie sie sich zur möglichen Zinserhöhung der Fed Mitte Dezember stellen sollen. Die Märkte gehen immer noch davon aus, dass es im Dezember zu einem Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte kommt. Inweitweit das Ereignis eingepreist ist, ist umstritten.

Diskussion um Pharma-Aktien

Nichtsdestotrotz würde ein Clinton-Sieg die Märkte zumindest beruhigen. Das Wahlprogramm der Demokratin sei näher am aktuellen Kurs des noch bis Januar amtierenden Barack Obama als die Vorstellungen von Donald Trump: "Das bietet wenig Raum für Phantasie", sagt Felix Brill. Der Asset-Management-Arm der US-Bank J.P. Morgan nennt folgende Sektoren aufgrund ihrer bisherigen Kursentwicklung für gut positioniert, um an einem weiteren Aufschwung des US-Marktes teilzuhaben: Finanztitel, Technologie-Aktien sowie die Papiere von Industriefirmen und Konsumgüterherstellern.

Weniger gut weg kommt der Sektor Healthcare. Hillary Clintons Wahlsieg würde der Pharmabranche konkret in Aussicht stellen, dass Medikamentenpreise per Regierungsbeschluss gesenkt werden müssten. Auch Nicht-US-Firmen wie Roche und Novartis haben dieses Szenario in ihrem Börsenkurs schon gespürt. Ihren Plan könnte Clinton allerdings nicht in Eigenregie fällen und müsste sich wohl in einen langwierigen Prozess mit dem Kongress drauf verständigen.

Am 8. November werden auch das Repräsentantenhaus und 34 von 100 Senatorensitzen neu bestellt. Genauso wie die Finanzmärkte Clinton als Präsidentin erwarten, gehen sie davon aus, dass die Republikaner die Mehrheit im Kongress behalten. Gemäss einem Marktkommentar von UBS-Ökonom Alessandro Bee wäre dies für die Pharmabranche das beste Szenario. Die Republikaner sind regulationskritischer als die Demokraten, andererseits würde ein Bekenntnis Clintons zum Gesundheitsversorgungssystem Obamacare den Pharma-Aktien nützen.

Schwächerer Dollar möglich

Ein Clinton-Sieg würde auch die US-Währung tendenziell stärken. "Der Dollar hat schon zugelegt, weil die Wahrscheinlichkeit eines Clinton-Sieges hoch geworden ist", sagt Thomas Flury, Devisenexperte bei der UBS. Würde Hillary Clinton gewählt, würde die Aufwertung der US-Währung wohl noch eine Weile so weitergehen, sagt er. "Unser 3-Monate-Kursziel ist beim Dollar-Euro-Kurs bei 1,10, beim Dollar-Franken-Kurs etwa bei der Parität."

Mit hoher Sicherheit lässt sich auch sagen, dass mit Hillary Clinton als Wahlsiegerin die Schweizerische Nationalbank (SNB) wenig unter Druck käme, der Frankenaufwertung begegnen zu müssen. Zuletzt hat der für die Finanzmärkte überraschende EU-Austrittsentscheid der Briten im Brexit-Votum im Juni dazu geführt, dass die SNB in grösserem Ausmass intervenierte. Genau voraussagen lasse sich die Dollar-Reaktion auf einen Wahlausgang pro Clinton aber nicht, warnt Währungsspezialist Flury: "Es ist auch möglich, dass die Devisenanleger nach dem Motto vorgehen: 'Buy the rumour, sell the fact.' Das würde dann bedeuten, dass es bei Clintons Wahl zu Gewinnmitnahmen kommt."

Die St. Galler Kantonalbank (SGKB) weist darauf hin, dass der Ausgang der Präsidentenwahl nicht alleine über die Währungsentwicklung entscheide. Neben der Fed komme es auch auf die künftige Zusammensetzung des Kongresses an. Die SGKB geht für die nächsten drei Monate von einem Dollar-Euro-Kurs zwischen 1,07 und 1,12 und einem Dollar-Franken-Kurs von 0,98 bis 1,03 aus.