Als vertrauensbildende Massnahme kündigte das Verteidigungsministerium in Moskau an, die militärische Aktivität rund um Kiew und Tschernihiw drastisch zu verringern. "Um das gegenseitige Vertrauen zu stärken und die notwendigen Bedingungen für weitere Verhandlungen zu schaffen und das Endziel der Vereinbarung und Unterzeichnung (eines) Abkommens zu erreichen, wurde beschlossen, die militärischen Aktivitäten in Richtung Kiew und Tschernihiw radikal und in grossem Umfang zu reduzieren", sagte der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin vor der Presse. Details werde der Generalstab nach der Rückkehr der Delegation nach Moskau bekanntgeben.

Der ukrainische Unterhändler Olexsander Tschaly sagte nach den Beratungen in Istanbul, die Ukraine habe einen neutralen Status des Landes gegen Sicherheitsgarantien angeboten. Als Garantieländer werden etwa Israel, die Türkei, Kanada und Polen genannt. Zudem sollte für die von Russland 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim eine 15-jährige Prüfphase vereinbart werden. Die Ukraine würde nicht der Nato beitreten und auf die Schaffung ausländischer Militärbasen in dem Land verzichten.

Medinski sagte, die Vorschläge der Ukraine würden geprüft und Präsident Wladimir Putin übermittelt. Die Verringerung des Militäreinsatzes sei einer von zwei Schritten, die Moskau zur Deeskalation unternehme. Der zweite sei ein Treffen Putins mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieses sei nur möglich, wenn zuvor eine Vereinbarung zwischen den Aussenministern beider Länder erzielt worden sei.

Die Gespräche hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vermittelt. Sie sollen am Mittwoch nicht fortgesetzt werden, die Delegation zu Beratungen mit ihren Regierungen zurückreisen. Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu machte eine Annäherung bei den Verhandlungen aus. Sie seien die bislang wichtigsten gewesen. Die schwierigeren Themen würden zu einem späteren Zeitpunkt von den Aussenministern beider Seiten besprochen. "Dieser Krieg muss beendet werden."

USA skeptisch

US-Aussenminister Antony Blinken äussert sich skeptisch zu den jüngsten russischen Ankündigungen. Es gebe das, was Russland sage, und das, was Russland tue, sagt er. Die USA konzentrierten sich auf letzteres.

In der Erklärung des russischen Vize-Verteidigungsministers sei keine Neuorientierung Russlands zu erkennen. Alexander Fomin hat angekündigt, die militärischen Aktionen um Kiew und Tschernihiw drastisch zu reduzieren.

Russland bombardiert weiter

Ungeachtet der Verhandlungen hatten russische Truppen ihr Bombardement in der Ukraine fortgesetzt. So sei ein grosses Treibstofflager der ukrainischen Streitkräfte in der nordwestlichen Region Riwne mit Marschflugkörpern zerstört worden, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Sieben Menschen starben nach ukrainischen Angaben, als eine russische Rakete das Gebäude der Regionalverwaltung der südukrainischen Stadt Mykolaiw traf.

Ukrainische Streitkräfte halten nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes weiter das Zentrum der umkämpften südöstlichen Hafenstadt Mariupol. In mehreren Gebieten nordwestlich von Kiew sei es der ukrainischen Armee zudem gelungen, russische Truppen zurückzudrängen.

Die Ukraine und westliche Länder sprechen von einem russischen Angriffskrieg und einer Invasion, die am 24. Februar begonnen hat. Russland hatte sein Vorgehen in der Ukraine dagegen als Spezialoperation zur Zerstörung militärischer Stützpunkte sowie zur Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine bezeichnet. Allerdings veränderte die Führung in Moskau in den vergangenen Tagen ihre Rhetorik. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sprach zudem davon, dass das Hauptziel nun die Eroberung der Donbass-Region in der Ostukraine sei. Westliche Regierungen führen dies auf mangelnde Erfolge der russischen Truppen zurück.

In dem Krieg sollen nach Angaben der Ukraine und aus westlichen Sicherheitskreisen bereits mehrere Zehntausend Menschen gestorben sein. Die UN sprechen von fast vier Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine.

Russland pocht auf Bezahlung von Gas in Rubel

Mit Spannung wird erwartet, ob Russland seine Drohung wahr macht und ab Donnerstag Gas und Öl nur noch gegen Rubel-Zahlungen liefern wird. Die G7-Staaten lehnen dies ab, weil die Verträge auf Euro und Dollar laufen. "Niemand wird Gas umsonst liefern, das ist einfach unmöglich, und man kann es nur in Rubel bezahlen", sagte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. Die Folge könnten ein Lieferstopp und deutliche Auswirkungen in den Volkswirtschaften Westeuropas sein.

Die USA und ihre Verbündeten planen neue Sanktionen gegen weitere Sektoren der russischen Wirtschaft, sagte der stellvertretende US-Finanzminister Wally Adeyemo. Die Ausweitung ziele darauf ab, "die Fähigkeit des Kremls, seine Kriegsmaschinerie zu betreiben", zu untergraben. Man nehme nun verstärkt kritische Lieferketten ins Visier. 

(Reuters)