Diese Ladung würde wohl Zoll- und Flughafenpolizei alarmieren: Dollar-Scheine in kleiner Stückelung, verpackt kistenweise mit Ziel Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Doch solche Transporte könnten in Kürze von Flughäfen abheben, ohne dass Geldwäsche oder Drogenzahlungen im Spiel sind.
Der Westen plant Insidern zufolge eine heikle Operation, um hungernden Afghanen zu helfen, ohne die herrschenden Taliban zu finanzieren. Im besten Fall will man mit der Unterstützung die Taliban dazu bringen, dem Westen Zugeständnisse zu machen, wie von Reuters eingesehene Dokumente zeigen.
Die Nothilfe für die von einer Dürre, politischen Unruhen und Anschlägen geplagten Afghanen könnte in einem Szenario so ablaufen, dass Banken mit dem Bargeld versorgt werden, die dieses dann wiederum in Beträgen von unter 200 Dollar pro Kopf an Bedürftige auszahlen. Die Taliban müssten dies durchwinken, ohne aber daran direkt mitzuwirken.
Afghanistan steht ohne Reserven da
Das ohnehin verarmte Land ist in eine neue Krise gerutscht, nachdem sich die USA und andere westliche Staaten wie auch Deutschland zurückgezogen haben. Diese hatten in der Vergangenheit laut Weltbank rund drei Viertel des afghanischen Staatshaushaltes finanziert.
Afghanistan selbst steht praktisch blank da. Die Zentralbank hat die letzten Reserven nahezu verbrannt. Rund neun Milliarden Dollar, die im Ausland lagern, wurden eingefroren.
Der Westen ist nun aber in einem Dilemma: Laut UN sind 14 Millionen Afghanen vom Hunger bedroht, viele würden das Land wohl gern verlassen und beispielsweise Richtung Europa aufbrechen.
Auf der anderen Seite will man die Taliban nicht finanzieren, die man jahrelang mit vielen Opfern bekämpft hatte. "Wenn das Land kollabiert, werden wir alle für die Folgen bezahlen müssen", sagt ein EU-Vertreter, der ungenannt bleiben will.
"Niemand will die Taliban-Regierung jetzt übereilt anerkennen, aber wir müssen uns mit ihnen arrangieren. Die Frage ist nicht ob, sondern wie."
Geldtransfer Szenarien
Erste Erfahrungen mit dem direkten Geldtransfer gibt es bereits: Das Welternährungsprogramm der UN hat einem Insider zufolge bereits über 100'000 Dollar in afghanischer Währung über lokale Banken verteilt.
Dies könnte einem Diplomaten zufolge nun ausgeweitet werden, damit sich die ärmsten Afghanen damit Essen und andere existenzielle Dinge kaufen könnten. Zugleich würde so wieder Geld in Umlauf kommen. Daneben soll es auch weiter Nahrungsmittel-Lieferungen geben.
Eine zweite Möglichkeit wäre, zunächst mit dem Geld die Hilfskräfte für die Nicht-Regierungs-Organisationen und für die UN-Programme zu bezahlen. Auch so käme Geld in Umlauf.
Ein Sprecher des US-Finanzministeriums sagte, solche humanitären Hilfen und Zahlungen würde man zulassen. Die Taliban selbst dürften davon aber nicht profitieren. Unklar blieb, inwieweit die Taliban dies tolerieren würden. Eine Reuters-Anfrage bei ihnen blieb zunächst unbeantwortet.
Taliban sollen zu Zugeständnissen bewegt werden
Westliche Staaten wollen aber mehr erreichen: Im Mittelpunkt stehen dabei die neun Milliarden Dollar, die im Ausland eingefroren sind und als Hebel eingesetzt werden könnten.
Im Gegenzug zu einer Freigabe und einer politischen Anerkennung, müssen diese dem Westen in einer Reihe von Punkten entgegenkommen, heisst es in einem deutsch-französischen Papier, das Reuters vorliegt.
In einem weiteren Dossier listen Deutsche und Franzosen fünf Forderungen auf: So müssten die Taliban Verbindungen zu Terror-Organisationen kappen, humanitäre Hilfe im Land möglich machen, Ausreisen genehmigen, die Menschenrechte respektieren und eine Regierung etablieren, die alle Bevölkerungsgruppen einbindet.
(Reuters)