Strom für Stahlwerke oder fürs Bitcoin-Mining? Für den schwedischen Energieminister Khashayar Farmanbar ist die Antwort klar: "Um ehrlich zu sein brauchen wir Energie für nützlichere Dinge als Bitcoin", sagte Farmanbar in einem Interview mit Bloomberg.

Das Land sei nach einer langen Phase stagnierenden Stromverbrauchs nun auf einem Pfad "extremer Expansion," weil "unsere gesamte verarbeitende Industrie versucht, sich zu elektrifizieren".

Schweden ist derzeit eine Hochburg des Bitcoin-Schürfens, doch die Äusserungen des Ministers deuten darauf hin, dass es für die Branche schwieriger werden könnte. Die Regierung in Stockholm ist so besorgt über den Stromverbrauch des Landes, dass sie unlängst die schwedische Energieagentur gebeten hat, den Verbrauch der digitalen Infrastruktur zu ermitteln, mit besonderem Augenmerk auf das Krypto-Mining.

In Bitcoin-Rechnerfarmen werden die komplexen mathematische Rätsel gelöst, die für den Betrieb der Digitalwährung essenziell sind. Das ist energieintensiv und erfordert daher grosse Mengen billigen Strom, den die schwedischen Betreiber aus Wasser- und Windkraft billig beziehen. Der neue Ansatz der Regierung lässt die Krypto-Branche befürchten, dass ihr Leben schwieriger werden könnte.

Farmanbar wollte nicht sagen, mit welchen Massnahmen er das Mining eindämmen will. Eine der diskutierten Optionen wäre, neue Abnehmer schneller an das Stromnetz anzuschliessen, wenn sie einen greifbaren Nutzen für die Gesellschaft leisten - etwa durch die Schaffung vieler Arbeitsplätze. Auch Steuervorteile für Rechenzentren, die ohnehin nicht als Anreiz für Bitcoin-Farmen gedacht waren, könnten beschnitten werden.

Bedrohung des Klimas

Zu den Betreibern von schwedischen Krypto-Rechnerfarmen gehören Hive Blockchain Technologies aus Kanada und die in Hongkong notierte Genesis Mining. Sie reagierten nicht auf Bitten um eine Stellungnahme.

Sukesh Kumar Tedla, der Vorsitzende der Swedish Blockchain Association, wehrt sich gegen die Vorwürfe: "Ja, das Schürfen von Kryptowährungen verbraucht viel Energie, aber das gilt auch für viele andere innovative Technologien, die zum Funktionieren unserer Gesellschaft beitragen."

Diese Argumente stossen jedoch in Zeiten steigenden Umweltbewusstseins und knapper Energie zunehmend auf taube Ohren.

Die schwedische Finanzaufsichtsbehörde hat Kryptowährungen als Bedrohung für den Klimawandel bezeichnet und ein EU-weites Mining-Verbot gefordert, das von Gesetzgebern in Ländern von Deutschland bis Spanien und Norwegen unterstützt wird.

Steigende Stromnachfrage

Die Energiekrise und die Elektrifizierung selbst von solchen Branchen wie Bergbau und Stahlproduktion haben zur Folge, dass der Kampf um die Stromversorgung härter wird. 

Nach Angaben der Europäischen Zentralbank verbraucht das Bitcoin-Schürfen weltweit so viel Strom, dass damit Länder wie Spanien oder die Niederlande versorgt werden könnten. Die Grösse der Branche in Schweden ist schwer abzuschätzen, da es keine öffentlichen Daten gibt, wie viele solcher Unternehmen es gibt und wie viel Strom sie verbrauchen.

Der Branchenverband Swedenergy schätzt den Strombedarf von Rechenzentren nur auf wenige Prozent des Gesamtverbrauchs, und nur ein kleiner Teil davon gehe an Krypto-Farmen. Nach Angaben des schwedischen Netzbetreibers könnte sich der Strombedarf solcher Einrichtungen bis 2040 jedoch verachtfachen.

Denn der Anteil Schwedens am Bitcoin-Mining nimmt zu. Im Januar lag er bei gut 0,8 Prozent der weltweiten Verarbeitungsrate, wie aus den jüngsten Daten des Centre for Alternative Finance der Universität Cambridge hervorgeht. Zwei Jahre zuvor war er quasi nicht existent.

«Berücksichtigen, welche Projekte den grössten Nutzen für das Klima haben»

Der Stahlkocher SSAB plant derweil die Erzeugung von Stahl ohne Einsatz fossiler Energieträger. Die Netzbetreiber des Landes sollten solchen Industrieprojekten Vorrang einräumen, anstatt den Strom wie heute einfach nach dem Prinzip "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" abzugeben.

"Man könnte berücksichtigen, welche Projekte den grössten Nutzen für das Klima und die Gesellschaft haben", meint Tomas Hirsch, Leiter der Energieabteilung bei SSAB. "Wir könnten Schwedens Kohlendioxid-Emissionen um 10 Prozent reduzieren."

Das ist eine Argumentation, die immer mehr Anklang beim Wähler und in der Politik findet.

"Es wird Engpässe geben, und das bedeutet, dass man untersuchen muss, ob wir Energie auf die bestmögliche Weise nutzen", sagte Minister Farmanbar. Die Antwort sei nicht trivial, fügt er hinzu.

(Bloomberg)