Zuvor hatte die Regierung in London die französische Botschafterin Catherine Colonna für Freitag einbestellt. Hingegen forderte der EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, Grossbritannien zum Einlenken auf.

Zugespitzt hatte sich der Streit um Fischereirechte nach dem Brexit in den vergangenen Tagen. Frankreich setzte ein britisches Fangschiff im Hafen von Le Havre fest. Die französische Justiz will den Kapitän der "Cornelis Gert Jan", die nach Jakobsmuscheln fischte, vor Gericht stellen. Der Mann sei für den 11. August 2022 vor das Strafgericht von Le Havre geladen worden, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft mit. "Der Kapitän des Bootes verfügte nicht über die erforderliche Erlaubnis, um in ausschliesslich französischem Wirtschaftsgebiet zu fischen", hiess es. Das Fischereiunternehmen wies die Vorwürfe zurück. Gegen zwei weitere britische Schiffsbesatzungen wurden Geldstrafen verhängt.

Der Fischereistreit schwelt seit langem. Hintergrund ist die Frage, wie viel ausländische Fischer nach dem Brexit in britischen Gewässern fangen dürfen. Bereits in den Verhandlungen über den Handelspakt der Briten mit der EU war dies die am heftigsten umstrittene Frage, die eine Einigung zeitweise fast unmöglich zu machen schien. Auf EU-Seite zeigten sich vor allem die Franzosen unnachgiebig; das Thema wird seit jeher emotional behandelt und ist besetzt mit uralten Ressentiments gegen das jeweils andere Land.

Tatsächlich ist fraglich, ob die "Cornelis Gert Jan" eine gültige Lizenz besass. Nach Angaben der EU-Kommission hatten die britischen Behörden dem Schiff am 1. März die Lizenz entzogen. Luke Pollard von der oppositionellen Labour-Partei sagte, das Schiff sei vermutlich wegen eines Verwaltungsfehlers nicht auf der Liste an die französischen Behörden aufgeführt worden. In diesem Falle müsse die britische Regierung dafür geradestehen, sagte Pollard.

Ein britischer Regierungssprecher kündigte an, Premierminister Boris Johnson werde auf dem bevorstehenden UN-Klimagipfel COP26 in Glasgow das Thema beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron ansprechen. Französische Kabinettsmitglieder hatten Grossbritannien scharf angegriffen. Minister Eustice nannte die Aussagen "aufwieglerisch".

Hingegen betonte EU-Kommissar Breton, die Verantwortung liege bei London. "Die britische Seite zeigt keinen guten Willen", sagte der Franzose Breton im Sender Franceinfo. Es fehlen noch etwa die Hälfte der an französische Fischer zu erteilenden Lizenzen. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, Frankreich habe die Behörde vorab nicht über die geplanten Schritte gegen Grossbritannien informiert. "Aber natürlich prüfen wir alle spezifischen Massnahmen sorgfältig, sobald sie benachrichtigt wurden", sagte er in Brüssel.

Paris behauptet, dass London entgegen des Brexit-Vertrags vielen französischen Fischern noch keine Lizenz zum Fang in britischen Gewässern erteilt habe. Die britische Seite weist dies zurück. 98 Prozent der EU-Anträge seien positiv beschieden worden. Seit dem Brexit habe London Lizenzen an 1700 EU-Boote ausgegeben, sagte Minister Eustice. Darunter seien 750 französische Schiffe.

Frankreich droht damit, vom 2. November an britische Fischerboote in bestimmten französischen Häfen nicht mehr anlegen zu lassen. Ausserdem werde künftig systematisch die Sicherheit britischer Fangschiffe überprüft. Lastwagen, die von Frankreich aus nach Grossbritannien oder in die Gegenrichtung fahren, sollen ebenfalls schärfer kontrolliert werden./swe/DP/eas

(AWP)