Vor der konstituierenden Sitzung der Unionsfraktion um 17.00 Uhr war offen, ob sich der bisherige Fraktionschef Ralph Brinkhaus anderen Kandidaten in einer Kampfabstimmung stellten musste.

Laschet und Söder suchten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nach einem Kompromiss. Es solle bis zur Wahl am Abend eine einvernehmliche Lösung geben, die alle mittragen könnten, um eine Kampfkandidatur zu verhindern. Neben dem bisherigen Fraktionschef Ralph Brinkhaus wurden Jens Spahn, Norbert Röttgen und Friedrich Merz für das Amt ins Spiel gebracht.

Laschet, der sich aus der Union harte Kritik gefallen lassen muss, hatte erklärt, er gehe "ohne Rückfahrkarte" nach Berlin - auch, wenn er nicht Kanzler werde. Sollte die Union auf der Oppositionsbank landen, wäre der Fraktionsvorsitz der einzige wichtige Posten, der zu vergeben wäre.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Söder sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, wenn eine Fraktion zur konstituierenden Sitzung zusammen komme, müsse sie dafür sorgen, dass Ordnung entsteht. "Und diese Ordnung wird als erstes dadurch hergestellt, dass der Fraktionsvorsitzende gewählt wird."

Dobrindt, der zuvor bestätigt worden war, warnte nach der historischen Wahlniederlage: "Einer dieser Folgefehler wäre, Personalentscheidungen, die notwendig sind, zu vermeiden oder zu verschieben." Er werde auf keinen Fall vorschlagen, einen Fraktionsvorsitzenden für vier oder sechs Wochen zu wählen.

Obwohl die Union auf 24,1 Prozent abstürzte, hofft Laschet immer noch, mit einem Bündnis aus Grünen und FDP ins Kanzleramt einziehen zu können. Allerdings wächst der Widerstand gegen diese Strategie.

Auch Söder sieht den Auftrag zu Gesprächen über eine neue Bundesregierung zunächst bei SPD, Grünen und FDP. Die SPD sei am Zug, sagte Söder. Wenn das nicht funktionieren sollte, dann sei die Union zu jeden Gesprächen bereit. "Aber wir werden uns nicht anbiedern", sagte Söder, der anerkannte: "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz." Er gratulierte ihm zum Wahlerfolg.

Die SPD erhöht den Druck für eine zügige Regierungsbildung. Erste Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP könnten nach Aussage von Fraktionschef Rolf Mützenich noch in dieser Woche geführt werden. Die SPD sei bereit, "nicht nur schnelle, sondern auch verlässliche Gespräche zu führen".

Die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wurde mit 25,7 Prozent stärkste Partei und leitet aus dem Ergebnis einen klaren Wählerauftrag zur Regierungsbildung ab.

Die rund 100 neugewählten SPD-Abgeordneten stellten sich bei der Sitzung der bisherigen und neuen Fraktionsmitglieder der Reihe nach vor. Kanzlerkandidat Scholz, auch er wieder neu in den Bundestag gewählt, verkündete auf Twitter: "Jetzt machen wir uns gemeinsam an die Arbeit." Von den 206 Sitzen sind 121 Direktmandate. 2017 waren es nur 59 von 153 Sitzen.

Grüne und FDP haben sich auf ein erstes Treffen in dieser Woche verständigt. FDP-Chef Christian Lindner hatte noch am Wahlabend vorgeschlagen, dass sich beide Parteien vorab zusammensetzen, um Schnittmengen auszuloten.

Die Grünen wollen bei einer Regierungsbeteiligung erst nach Koalitionsverhandlungen über ihre personelle Aufstellung entscheiden. Parteichef Robert Habeck machte vor einer Fraktionssitzung klar, dass "selbstverständlich am Ende eines solchen Prozesses über Inhalt und Personal - das gesamte Tableau - die Partei über einen Parteitag oder eine Mitgliederbefragung" entscheiden werde.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hält eine Koalition mit SPD und FDP für wahrscheinlich. "Wir werden selbstverständlich mit allen demokratischen Parteien reden", sagte Hofreiter.

Die Grünen waren bei der Bundestagswahl mit einem Ergebnis von 14,8 Prozent weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte eigene Fehler eingeräumt./rom/had/bk/hoe/sam/ctt/bw/tam/sk/hrz/DP/jha

(AWP)