Im Mittelpunkt steht die Frage, ob sich der Golfstaat nach der Abstimmung am Samstag dem Nachbarn Iran verstärkt zuwendet. Sollte es dazu kommen, könnte das das Machtgefüge im Nahen Osten erheblich beeinträchtigen: Dort ringen das mit den USA verbündete sunnitische Saudi-Arabien und der Iran, der sich als Schutzmacht der Schiiten sieht, um die Vorherrschaft.

Als Favoriten auf den Wahlsieg gelten drei Kandidaten, die allesamt der grössten Glaubensrichtung im Irak, den Schiiten, angehören. Unter Saddam Hussein wurden sie unterdrückt. Seit seinem Sturz vor 15 Jahren haben sie alle Regierungschefs gestellt.

Haider al-Abadi und die Siegesallianz

Als Abadi im September 2014 Ministerpräsident wurde, kannte kaum jemand den heute 66-Jährigen. Der in Grossbritannien promovierte Elektroingenieur wurde Nachfolger von Nuri al-Maliki, der nach einem innenpolitischen Machtkampf im Abseits stand. Abadi übernahm den Posten, als der Irak in einer seiner schwersten Krisen seit Saddams Sturz steckte: Kurz vor seinem Amtsantritt hatte die radikalislamische IS-Miliz ein Drittel des Landes überrannt und ein Kalifat ausgerufen. Im Dezember 2017 allerdings waren die Islamisten weitgehend zurückgeschlagen, und Abadi rief den Sieg über den IS im Irak aus. Gleichzeitig gelang es ihm, kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen in die Schranken zu verweisen und die Einheit des Landes zu bewahren.

Vor allem der Erfolg über den IS soll Abadi die Wiederwahl sichern. Er tritt auf als Garant für Sicherheit und verspricht, sich in den nächsten vier Jahren um den Wiederaufbau des Landes und eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu kümmern. Dabei verlässt er sich nicht allein auf die Unterstützung der Schiiten. Gezielt umwirbt er auch andere Bevölkerungsgruppen. Seine Siegesallianz tritt als einzige in allen 18 Provinzen an, in ihren Reihen stehen nach eigenen Angaben neben Schiiten auch Sunniten, Kurden, Christen und Jesiden.

Während des dreijährigen Kriegs gegen den IS verstand Abadi es, sich sowohl von den USA als auch vom Iran militärisch unterstützen zu lassen, ohne dass sich die beiden Erzrivalen wesentlich in die Quere kamen. Er hat erklärt, den Irak auch künftig aus dem US-iranischen Machtkampf heraushalten zu wollen. Abadi gilt auch deshalb als Wunsch-Kandidat des Westens, der befürchtet, dass sich der Irak unter einem der anderen Bewerber stärker dem ebenfalls schiitisch geführten Iran zuwenden könnte.

Hadi Al-Amiri und die Eroberungsallianz

Wie Abadi setzt der 63-Jährige Hadi al-Amiri vor allem auf seine Rolle als Milizen-Chef beim Sieg gegen den IS. Als Verkehrsminister überzeugte er zwischen 2010 und 2014 wenig. Doch die von ihm angeführte Badr-Organisation war anschliessend das Rückgrat der Volksmobilmachungskräfte, einem Verbund überwiegend schiitischer, vom Iran unterstützter Milizen, die entscheidend dabei halfen, die ultra-radikalen Sunniten in die Knie zu zwingen. Amiri profitierte dabei von seinen Beziehungen zum Iran, insbesondere zu den Revolutionsgarden. Er knüpfte die Verbindung während seines Exils in dem Nachbarland, wohin er nach einem Wirtschaftsstudium in Bagdad geflohen war. Unter Saddam zum Tode verurteilt, beteiligte er sich vom Iran aus mehr als zwei Jahrzehnte am Widerstand gegen den Diktator. Nach dessen Entmachtung im Zuge der US-Invasion des Irak kehrte er wie Abadi und Maliki in seine Heimat zurück.

Amiri gilt als Praktiker, der zwar keine beeindruckenden Reden schwingen kann, aber Dinge anpackt und geregelt bekommt. Der Slogan seiner Fatah - oder Eroberungsallianz - lautet: "Die Zeit des Irak ist gekommen." Trotz seiner engen Verbindung zum Iran hat er auch den Kontakt zu den Amerikanern gepflegt. Nach Ansicht westlicher Diplomaten steht einer Zusammenarbeit nichts entgegen - sofern er den Irak nicht näher an den Iran rückt. Kritiker befürchten jedoch, dass genau das passieren könnte.

Nuri al-Maliki und die Rechtsstaats-Koalition

Unter Saddam zum Tode verurteilt, lebte Nuri al-Maliki fast ein Vierteljahrhundert im Exil, zumeist in Syrien und im Iran. Nach seiner Rückkehr 2003 trat er der Übergangsregierung bei. 2006 wurde er Ministerpräsident. Anhänger halten ihm zugute, den Irak damals massgeblich vor einem drohenden Bürgerkrieg bewahrt zu haben. Auch aus der Wahl 2014 ging er als Sieger hervor, doch Iraks Grossajatollah Ali al-Sistani verhinderte eine dritte Amtszeit.

Maliki wird vorgeworfen, am Aufstieg des IS mitschuld zu sein, weil er die grassierende Korruption begünstigt und die verschiedenen Ethnien und Religionsgruppen gegeneinander aufgebracht haben soll. Die Abfuhr ebnete den Weg für die Ernennung Abadis zu seinem Nachfolger, während Maliki auf den Posten eines der drei Vizepräsidenten abgeschoben wurde ohne Einfluss auf die Tagespolitik. Gleichwohl ist er nach wie vor einer der mächtigsten Politiker des Landes aufgrund seiner führenden Rolle in der schiitischen Dawa-Partei. Dieser gehört auch Abadi an. Maliki führt darum im Wahlkampf seine eigene Allianz an, die Rechtsstaat-Koalition.

Der 67-Jährige hat nach wie vor enge Beziehungen zum Iran. Im Wahlkampf machte er zudem Stimmung gegen Saudi-Arabien, das mit dem Iran um die regionale Vorherrschaft ringt. Im Syrien-Krieg zeigte er sich solidarisch mit Machthaber Baschar al-Assad. Zu Hause tritt er dafür ein, die Machtposition der Schiiten zu stärken. Einen herben Dämpfer bekam er kürzlich verpasst: Sistani machte deutlich, dass er ihm nach wie vor nicht wohlgesonnen ist. Die Iraker sollten nicht "in die Falle derjenigen geraten, die korrupt und die gescheitert sind", sagte der Grossajatollah in einer offenbaren Anspielung auf Maliki.

(Reuters)