Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon von der für Unabhängigkeit kämpfende Nationalpartei SNP kündigte am Samstag ein erneutes Votum an, nachdem bei der Auszählung der Stimmzettel klar war, dass die SNP zusammen mit den ebenfalls separatistischen schottischen Grünen auf eine absolute Mehrheit von mindestens 65 Sitzen in dem Parlament in Edinburgh kommt. Das schottische Parlament umfasst 129 Sitze. Mit Blick auf Premierminister Boris Johnson, der eine Abstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands verhindern will, sagte sie, es wäre absurd, wenn irgendein Politiker in London die Abstimmung blockieren wolle.

Am Samstagabend kam die SNP auf 62 von 86 ausgezählten Sitzen. Bei den Grünen wird damit gerechnet, mindestens sechs Mandate zu erobern. Eine absolute Mehrheit der SNP ohne Partner war nach Ansicht von Beobachtern unwahrscheinlich.

Johnson hat mehrmals betont, dass aus seiner Sicht die britische Regierung prüfen muss, ob ein Referendum legal ist. Eine nochmalige Abstimmung ist nach seiner Lesart unzulässig, da sich die Schotten in einer Volksbefragung 2014 für den Verbleib in Grossbritannien ausgesprochen hätten und diese Frage nur einmal pro Generation gestellt werde. Die schottischen Nationalisten argumentieren dagegen, sie hätten mit dem Wahlsieg die demokratische Legitimation für die Einleitung eines neuen Referendums. Beobachter gehen davon aus, dass Gerichte letztendlich entscheiden müssen.

Schottland bildet sei 314 Jahren das Vereinigte Königreich zusammen mit England und Wales. Nach der Volksbefragung von 2014 trat Grossbritannien gegen den Willen der Schotten aus der Europäischen Union aus. Sollten sich die Schotten bei einer zweiten Abstimmung für die Eigenständigkeit aussprechen, wäre es der grösste Schock für das Vereinigte Königreich seit der Unabhängigkeit Irlands vor einem Jahrhundert.

(Reuters)