cash: Mario Draghi flutet die Märkte mit 60 Milliarden Euro pro Monat. Überrascht Sie das?

Sandra Navidi: Nein. Wenn, dann positiv. Es ist fraglich, inwieweit die Aktion der EZB der stockenden Kreditvergabe, der Arbeitslosigkeit oder der tiefen Inflation helfen kann. Ich bin da eher skeptisch. Im Grunde hat Draghi der Euro-Zone ein Zeitpflaster auf die Wunde geklebt.

Ist diese Aktion an den Märkten bereits eingepreist?

Der Markt hat mit 50 Milliarden im Monat gerechnet. Nun übertreffen wir diese Marke. Ich denke, es könnte für eine kleine positive Überraschung sorgen.

Ist das nun der erhoffte Befreiungsschlag für die Euro-Zone?

Es ist vor allem Kosmetik. Denn alte wirtschaftspolitische Probleme können nicht einfach so bekämpft werden. Aber man muss sagen, dass Draghi sein bestes tut. Wenn er nicht wäre, dann hätte die Euro-Zone noch grössere Probleme. Nun stehen vor allem auch die Politiker in der Pflicht. Frankreich beispielsweise schiebt immer noch viele Reformen vor sich her. Die Ungleichgewichte und die Unterschiede in der Euro-Zone müssen abnehmen.

Wie wird sich der Euro zum Franken in den nächsten 12 Monaten entwickeln?

Der Euro wird schwach bleiben. Denn die Schweiz präsentiert sich im Vergleich dazu als sehr stark. Über die Marke von 1,10 Franken pro Euro wird der Wechselkurs kaum kommen.

Mit dem Wissensstand von heute, wie beurteilen Sie das überraschende Ende des SNB-Mindestkurses?

Auch ohne die Aktion der EZB zu kennen, war der Schritt der SNB nachvollziehbar und erwartbar. Aber man kann über das Wie diskutieren. In meinen Augen hat die SNB ungeschickt kommuniziert, in dem sie kurz vor der Aufhebung des Mindestkurses diesen noch verbal verteidigte. Gewissermassen war das ein Lehman-Moment für viele. Die Tourismusbranche in der Schweiz könnte existenzielle Probleme bekommen. Auch sehe ich Zeichen eines Währungskrieges, der im Gange ist.

Sandra Navidi ist Gründerin und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Beyond Global. Zuvor arbeitete sie mehrere Jahre für den amerikanischen Top-Ökonomen Nouriel Roubini. Die gebürtige Deutsche lebt seit längerem in New York.