"Das Impfen muss ein freiwilliger Akt der Bürgerinnen und Bürger bleiben", sagte SVP-Parteipräsident Marco Chiesa vor den Medien in Bern. "Wir können nicht akzeptieren, dass der Staat mittels Zertifikatspflicht die Bürger direkt oder indirekt zu einer Impfung zwingt." Die Partei halte allerdings die Impfung für eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen die Pandemie.

Die SVP befürchtet wegen des Covid-Gesetzes, das die Grundlage für den Einsatz des Zertifikats etwa in Restaurants, Bars und Sportstätten bildet, eine "Spaltung der Gesellschaft". Die Politik des Bundesrats teile die Gesellschaft in geimpfte "gute" Menschen und in ungeimpfte "schlechte" Menschen ein. Dabei würden die "schlechten" Menschen ghettoisiert.

Auseinandergerissenes Familienfoto

In ihrer Kampagne setzt die sonst für kontroverse Sujets bekannte Partei auf ein auseinandergerissenes Familienfoto. Familien und Leute mit tiefen Einkommen könnten sich Covid-Tests nicht leisten, hiess es. Mit einem Test können Menschen - neben der Impfung oder einer durchgemachten Krankheit - ebenfalls ein Zertifikat erlangen und Zugang zu Lokalitäten und Veranstaltungen erhalten.

Als zweites Hauptargument gegen die Vorlage brachten SVP und JSVP eine angebliche "totale Macht für den Bundesrat" vor. Das Covid-Zertifikat, das eigentlich das Reisen erleichtern solle, werde "missbraucht und in ein staatliches Druckmittel umgewandelt". Dabei würden Grundrechte wie körperliche und geistige Unversehrtheit mit Füssen getreten. Die SVP will mit der Ablehnung der Vorlage "Freiheit, Grundrechte und Normalität" wiederherstellen.

Der einzige Weg zurück in die Normalität sei, "alles für alle zu öffnen", sagte David Trachsel, Präsident der Jungen SVP. Alle Impfwilligen seien geimpft, und die Schweiz sei genügend "durchseucht", sodass künftig eine Überlastung der Spitäler unwahrscheinlich sei.

Der Jungpolitiker stellte in Abrede, dass es bei einem Nein zum Covid-Gesetz zu Problemen beim Reise komme. Die Personenfreizügigkeit mit der EU garantiere die Bewegungsfreiheit. International würden unterschiedliche Einreiseregimes mit Test- oder Impfnachweisen gelten. Auf das Schweizer Zertifikat komme es da nicht an.

Gegen Regierung und Parlament

Neben der Grundlage für das Covid-Zertifikat geht es bei den geplanten Gesetzesänderungen am 28. November auch um ausgeweitete Finanzhilfen, revidierte Bestimmungen bei der Kontaktverfolgung sowie um eine Förderung von Covid-Tests.

Die SVP bekämpft als einzige Bundesratspartei die Vorlage. Regierung, Kantone und eine deutliche Parlamentsmehrheit befürworten die Gesetzesrevision. Drei Bürgerbewegungen mit Massnahmenskeptikern hatten im Juli fast 190'000 Referendumsunterschriften eingereicht.

Im Juni war ein erstes Referendum gegen das Covid-Gesetz klar gescheitert. Die Stimmbevölkerung sagte mit 60 Prozent Ja zur Vorlage. In dieser war das Zertifikat noch nicht enthalten. Die Massnahmen stossen jedoch offenbar weiterhin mehrheitlich auf Zustimmung. In einer am Freitag publizierten Abstimmungsumfrage von Tamedia und "20 Minuten" befürworteten 63 Prozent der Befragten auch das revidierte Gesetz.

(AWP)