Mit 51,9 Prozent hat die Schweizer Stimmbevölkerung das revidierte Jagdgesetz abgelehnt. Der Wolfsschutz wird nicht gelockert, präventive Eingriffe in ein Wolfsrudel sind weiterhin nicht zulässig. Das letzte Wort bei der Regulierung der Wolfspopulation hat auch künftig der Bund.

Bei den Resultaten zeigte sich ein Stadt-Land-Graben. Im Kanton Wallis stimmten 68,6 Prozent der Stimmenden für eine Lockerung des Wolfsschutzes - so viele wie in keinem anderen Kanton. Im Kanton Graubünden waren es 67,3 Prozent. Sieben von neun Wolfsrudeln leben in diesem Kanton.

Auf der anderen Seite lehnten Kantone mit grossen Städten die Vorlage ab. Am deutlichsten der Kanton Basel-Stadt mit 36,1 Prozent Ja-Stimmen vor dem Kanton Genf mit 36,9 Prozent Ja-Stimmen. Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern sagte im Fernsehen SRF: "Das ist das städtische Muster, das über das ländliche siegt. Aber selbst in Graubünden und im Wallis wurden relativ viele Nein-Stimmen eingeworfen."

Enttäuschung bei den Befürwortern

Mit seinem Entscheid habe es das Stimmvolk verpasst, den Tier- und Artenschutz zu stärken und klare Regeln für das Nebeneinander von Wolf und Nutztieren zu setzen, bedauern Jagdschweiz, der Schweizer Bauernverband und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SB) in einer gemeinsamen Mitteilung. Ein fortschrittliches Jagdgesetz rücke nun in weite Ferne.

Das heutige Jagdgesetz stammt aus dem Jahr 1986. Damals gab es keine Wölfe mehr in der Schweiz. Heute sind es über achtzig. Diese Rückkehr des Wolfes führt zu Konflikten. Laut der Stiftung Kora, Raubtierökologie und Wildtiermanagement, haben Wölfe in den vergangenen zehn Jahren in der Schweiz jährlich zwischen 300 und 500 Schafe und Ziegen gerissen. Betroffen sind auch Herden, die von Zäunen oder Herdenschutzhunden beschützt werden.

Der Bündner CVP-Ständerat Stefan Engler sagte Fernsehen SRF, es sei nicht gelungen, in den Städten und im Mittelland die Nöte in den Bergen aufzuzeigen. Auch die hohe Stimmbeteiligung dürfte zur Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes beigetragen haben. Diese lag beim Jagdgesetz bei 59,3 Prozent.

Aber schliesslich müsse man sich die Frage stellen, ob man in den Bergen eine reine Wildnis wolle oder auch noch Menschen, "die hier leben und arbeiten".

Weg frei für eine bessere Lösung

Das Nein zum Jagdgesetz war denn laut einer Mitteilung der SP Schweiz auch kein Votum der Städte gegen die Bergregionen, sondern gegen ein missglücktes Gesetz, für das die bürgerliche Parlamentsmehrheit verantwortlich sei. Und das Nein mache den Weg frei für eine bessere Lösung.

Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) sagte als Vertreter des Nein-Komitees im Fernsehen SRF, er erkenne sehr wohl, dass das Problem mit dem Wolf den Berglern auf der Seele laste. Das vom Volk abgelehnte Jagdgesetz sei jedoch zu weit gegangen.

Kein Votum gegen die Bergregionen

Auch Bundespräsidentin und Umweltministerin Simonetta Sommaruga betonte, dass es für den Bundesrat wichtig sei, dass sich dieser Entscheid an der Urne nicht gegen die Berggebiete, Schafzüchter und die Älplerinnen richte: "Das Nein ist vielmehr eine Rückmeldung an Bundesrat und Parlament: Ihre Vorlage hat eine knappe Mehrheit der Bevölkerung nicht überzeugt."

Die Bemühungen in der Schweiz, immer wieder den Ausgleich zu finden zwischen den verschiedenen Interessen, müssten weitergehen. Die Schweiz lebe vom Verständnis zwischen Stadt und Land. "Ich möchte die Schweiz zusammenhalten. Keine Region darf vergessen werden", sagte Sommaruga.

Neuer Anlauf in Wintersession

Urs Leugger-Eggimann, Präsident von Pro Natura, zeigte sich überzeugt, dass grosse Beutetiere und die Alpwirtschaft gut nebeneinander existieren können. Dazu brauche es einen guten Herdenschutz. So könnten einerseits die Bedürfnisse der Bergbevölkerung ernst genommen und gleichzeitig die Wolfsrudel erhalten werden.

Bereits in der Wintersession wollen Vertreter des Nein-Komitees eine Parlamentarische Initiative für ein "Jagdgesetz mit Augenmass" einreichen, dies im Dialog mit den Naturschutzorganisationen, aber möglichst auch mit den Jagdverbänden. Ziel sei die Regulation von Wölfen im verfassungsmässigen Rahmen und ohne Kompetenzübertragung auf die Kantone, so die Grünen in einer Mitteilung.

Ein guter Tag für die direkte Demokratie

Unabhängig von den einzelnen Abstimmungsergebnissen erinnerte Sommaruga daran, dass noch im Mai wegen des Coronavirus ein Urnengang nicht möglich war.

"Eines sollten wir nicht vergessen: Für unsere direkte Demokratie ist heute ein guter Tag", sagte sie. Es sei intensiv über die Vorlagen diskutiert worden: "In der Beiz, am Familientisch oder in den sozialen Medien: Diese Form der Debatte und Auseinandersetzung tut der Schweiz gut."

mk

(AWP)