Erstmals setzten die Beamten am Sonntag auch zwei Wasserwerfer ein. Ein Beobachter des Bezirksrats berichtete, dass ein Polizist mit seiner Waffe in die Luft geschossen habe, nachdem ihn mehrere Protestler umringt hätten.

Die neuen Ausschreitungen waren die ersten in Hongkong, seit es vor zwei Wochen am Flughafen der Stadt zu schweren Zusammenstössen gekommen war. Seitdem entwickelte sich der Protest in eine friedlichere Richtung. Erst am Freitag beteiligten sich Zehntausende an einer Lichterkette durch die Stadt. Protestler zeigten dabei auch die Flaggen Deutschlands und anderer Länder, um sich für die internationale Unterstützung zu bedanken.

Die Demonstrationen hatten am 9. Juni begonnen und dauern nun schon elf Wochen an. Die Kritik richtete sich anfangs gegen ein - inzwischen auf Eis gelegtes - Gesetz, das Auslieferungen nach China erlaubt hätte und von Hongkongs prochinesischer Regierungschefin Carrie Lam auf den Weg gebracht worden war.

Die Spannungen am Samstag entluden sich nach einem zunächst friedlichen Marsch mit Tausenden Teilnehmern im Stadtteil Kwun Tong. Die Demonstranten hatten die Gegend für ihren Protest ausgewählt, weil Kwun Tong nach ihren Angaben der erste Bezirk in Hongkong ist, in dem sogenannte intelligente Überwachungskameras eingesetzt werden.

Bei den Demonstranten besteht die Befürchtung, dass die Technologie zur Verfolgung von Demokratie-Aktivisten eingesetzt werden könnte. Wie Hongkonger Medien berichteten, zerstörten Demonstranten einen Mast mit der neuen Überwachungstechnik. Die Polizei nahm während der Ausschreitungen 29 Demonstranten fest.

Trotz heftigen Regens zogen auch am Sonntag Tausende Demonstranten durch die Strassen, bauten Barrikaden und gingen teils mit Stöcken bewaffnet auf die Sicherheitskräfte los. Die Polizei setzte Tränengas ein, wieder flogen Steine und Brandsätze.

Am Samstag teilte Regierungschefin Lam auf Facebook mit, sie habe sich mit einer "Gruppe von Menschen" getroffen, um zu besprechen, wie man einen Dialog einleiten könne. An dem Treffen nahmen 19 Top-Wirtschaftsführer und Politiker teil, wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" unter Berufung auf mehrere Quellen berichtete. Mehr als die Hälfte der Anwesenden soll Lam demnach dazu geraten haben, mehr Kompromissbereitschaft gegenüber den Demonstranten zu zeigen. So hätten sie Lam dazu aufgerufen, eine unabhängige Untersuchung über Polizeigewalt bei den Protesten einzuleiten und das Auslieferungsgesetz auch formell zurückzuziehen. Beides sind Kernforderungen der Protestbewegung.

Kritik der Protestbewegung zog am Wochenende auch der Hongkonger U-Bahn-Betreiber auf sich, der vor Beginn des angemeldeten Marsches keine Züge mehr an den umliegenden Stationen halten liess. Dadurch erschwerte sich die Anreise für Demonstranten, die der Bahn-Gesellschaft vorwarfen, auf Druck Pekings gehandelt zu haben.

Ein in China festgesetzter Mitarbeiter des britischen Konsulats in Hongkong wurde derweil wieder auf freien Fuss gesetzt. Wie die Polizei der südchinesischen Stadt Shenzhen mitteilte, lief die 15-tägige "Administrativhaft" für Simon Cheng am Samstag ab. Cheng konnte danach nach Hongkong zurückkehren. Der 28-Jährige war nach Angaben seiner Familie am 8. August an der Grenze zwischen China und Hongkong auf dem Heimweg in die Sonderverwaltungszone verschwunden. Er hatte demnach ein Wirtschaftstreffen in Shenzhen im Südosten Chinas besucht.

Erst als der Fall vergangene Woche öffentlich wurde, teilte das chinesische Aussenministerium mit, dass Cheng festgenommen worden sei, weil er Gesetze zur öffentlichen Sicherheit verletzt habe. Später berichtete die staatliche Zeitung "Global Times", dass sich Cheng mit einer Prostituierten getroffen haben solle. Von offizieller Seite konnte dies jedoch nicht bestätigt werden. Hongkongs Protestbewegung sah darin einen Versuch, ihn zu diskreditieren.

Peking hat Grossbritannien und andere Staaten mehrfach davor gewarnt, sich in den Hongkong-Konflikt einzumischen.

Die Millionenmetropole gehört seit dem Abzug der Briten 1997 wieder zu China. Als Sonderverwaltungszone sind Hongkong noch bis 2047 umfangreiche Sonderrechte garantiert. Um die fürchten nun aber viele Bewohner. An der Grenze zu Hongkong wurden chinesische Sicherheitskräfte zusammengezogen./jpt/DP/fba

(AWP)