"Schwert der Gerechtigkeit" nennen Nordkoreas Staatsmedien die Atomwaffen des Landes. Zu Raketentests werden Gedächtnisbriefmarken herausgegeben und Denkmäler errichtet. Atom- und Raketenforscher werden als Nationalhelden gefeiert. Nun stellt er die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel in Aussicht. Experten rätseln, wie glaubhaft das ist und wie Kim seinem unter Entbehrungen leidenden Volk einen solchen Schritt erklären könnte.

Südkoreanische Unterhändler, die Kim in diesem Monat in Pjöngjang begegneten, sagen, der Nordkoreaner sehe sich "der Denuklearisierung verpflichtet". Er habe den Wunsch, US-Präsident Donald Trump so bald als möglich zu treffen. Auch Vertreter Chinas, die Kim diese Woche in Peking sahen, erklären, dass er die Denuklearisierung wolle. Kim beriet mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor den für April und Mai geplanten Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In und Trump.

Zweifel an einer raschen Aufgabe des Atomwaffenprogramms

In den ersten Berichten nordkoreanischer Staatsmedien über Kims Gespräch mit Xi aber allerdings von Denuklearisierung keine Rede. Dass es aus Pjöngjang keine Bestätigung dieser Position gibt, lässt Experten zweifeln, dass Kim nun das Atomprogramm aufgibt, das schon sein Grossvater Kim Il Sung und sein Vater Kim Jong Il betrieben. Stattdessen strebe Kim wohl eine nuancierte und langfristige Annäherung an. So könne er in den Augen des Volkes und der Eliten - gerade des Militärs - als Sieger dastehen.

"Kim Jong Un muss dem nordkoreanischen Volk gar nichts verkaufen", sagt Michael Madden, Nordkorea-Experte der Johns Hopkins Universität. Eine Denuklearisierung werde ja mindestens zehn Jahre dauern, argumentiert er. Der Führung in Pjöngjang schwebe wahrscheinlich eher eine ganze Reihe von Vereinbarungen zu dem Thema vor als ein oder zwei grosse Abkommen.

Südkoreanische Diplomaten, die mit Nordkorea verhandelt haben, halten ein solches Vorgehen für schwierig, aber für möglich. Voraussetzung sei, dass die USA Kim grosse Zugeständnisse machten, mit denen er sich brüsten könne. "Kim Jong Un würde versuchen, die Idee zu propagieren, er habe die USA und die internationale Gemeinschaft zur Aufgabe bewegt, weil er über Atomwaffen verfügt", sagt Kim Hyung Suk. Er war von 2016 bis 2017 Südkoreas Vize-Vereinigungsminister: "Wenn die Gespräche gut laufen, können die Sanktionen gelockert werden, und die Wirtschaft wächst. Dann würde das Volk Kims Entscheidung für eine Denuklerarisierung verstehen und sehr unterstützen."

Doch das dürfte kaum Trumps Vorstellungen entsprechen. So sagte sein erst jüngst ernannter Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, der US-Präsident solle darauf bestehen, dass sich jedes Gespräch mit Kim darauf konzentriere, wie das Atomwaffen-Programm so schnell wie möglich abgeschafft werden könne.

Balanceakt für Kim zwischen Militär und Wirtschaft

Dass die nordkoreanischen Staatsmedien über ein Treffen zwischen Kim und Trump schweigen, überrascht die Experten nicht. "Das spiegelt die interne Diskussion darüber wider, wie mit der öffentlichen Meinung umgegangen werden soll", schätzt der Konfliktforscher Christopher Green von der International Crisis Group. Es laufe wohl auch eine grundsätzliche Debatte über die Entwicklung des Landes. Ein Ende des von Staatsgründer Kim Il Sung angestossenen und Unsummen verschlingenden Atomprogrammes könnte Kims Legitimität untergraben, sagen Fachleute.

Es ist ein Balanceakt für den 34-Jährigen, der nach dem Tod seines Vaters Macht und Führung der Dynastie übernahm. Kim trat 2011 mit einer Politik des "Byungjin" an - der gleichzeitigen Entwicklung von Militär und Wirtschaft. Seit 2013 ist die Militärfraktion im Aufstieg begriffen. Doch nach einem Treffen mit Trump könnten diejenigen Oberhand gewinnen, die eher auf einen Wirtschaftsaufschwung setzen, sagt Konfliktforscher Green.

Im mächtigen Militär dürfte man weniger empfänglich für eine atomare Abrüstung sein, ist Kim Hyung Suk überzeugt. "Für sie ist es unvorstellbar, die Sicherheit des Regimes nur mit konventionellen Waffen zu garantieren." Sollte sich das Militär gegen Kim stellen, könnte es zur Machtprobe kommen.

(Reuters)