Am Sonntag lief die Nachfrist für die am 27. Mai fälligen Zinszahlungen in Höhe von rund 100 Millionen Dollar ab. Der Ablauf dieser Frist gilt gemeinhin als Zahlungsausfall.

Bisher hat es Moskau immer wieder geschafft, die Beschränkungen zu umgehen und seine internationalen Schulden zu bedienen, aber das wird sich nun wohl ändern. Hier wichtige Antworten zum Thema:

WELCHE ANLEIHEN SIND BETROFFEN?

Zwei Bonds sind betroffen: Eine bis 2036 laufende Staatsanleihe in Euro und ein bis 2026 laufendes Papier in Dollar. Für beide zusammen wurden insgesamt 100 Millionen Dollar an Zinsen fällig, mit denen die Investoren für ihren Kredit an den russischen Staat entlohnt werden sollten. Eigentlich sollten die Gläubiger ihr Geld schon am 27. Mai erhalten. Als dies nicht geschah, trat eine 30-tägige Schonfrist in Kraft, die nun ablief. Es ist der erste Zahlungsausfall seit der Russischen Revolution 1917, als die Bolschewiken Schulden aus der Zarenzeit nicht anerkannten.

WARUM ZAHLT RUSSLAND NICHT?

Wegen der westlichen Sanktionen, mit denen Russland weitgehend vom westlich dominierten internationalen Zahlungsverkehr abgeklemmt wurde. Etwa die Hälfte der russischen Gold- und Devisenreserven - rund 300 Milliarden Dollar - werden dadurch eingefroren. Noch schwerer wiegt, dass das Clearinghaus Euroclear nach russischen Angaben die Zahlungen nicht abwickelt. Euroclear selbst - wo Wertpapiere verwahrt und Transaktionen abgewickelt werden - äussert sich dazu zunächst nicht. "Der Zahlungsausfall liegt also nicht daran, dass Russland nicht zahlen will, sondern aufgrund der Sanktionen dazu nicht in der Lage ist", fasst Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Lage zusammen.

WIE FALLEN DIE MARKTREAKTIONEN AUS?

Vom Zahlungsausfall sind nur wenige Investoren betroffen, die Summe ist zudem im internationalen Massstab überschaubar. "Deshalb hat wohl auch der Markt bisher kaum reagiert", sagt Commerzbank-Experte Krämer. "Russland ist von dem Zahlungsausfall nicht sonderlich betroffen, weil es traditionell und auch zur Zeit Leistungsbilanzüberschüsse aufweist und insofern nicht auf ausländisches Kapital angewiesen ist." Allein 2021 wies Russland einen Leistungsbilanzüberschuss - der den gesamten Fluss von Waren, Dienstleistungen und Investitionen in und aus dem Land misst - von rund 120 Milliarden Dollar aus, so die LBBW.

WELCHE KONSEQUENZEN DROHEN RUSSLAND?

Bleiben vereinbarte Zahlungen aus, liegt für Russland ein Zahlungsausfall vor. "In der Regel goutiert der Finanzmarkt dies mit einem Abschneiden von jeglicher Liquidität und von jeglichem Kapital", sagt der Chef-Stratege der LBBW, Thomas Meissner. Das kann noch viele Jahre lang nachwirken. Allerdings benötigt Russland nach Wahrnehmung des Experten nur wenig zusätzliche Liquidität in konvertibler Währung. "Moskau hat sich offensichtlich mittlerweile eingerichtet in einer Wirtschaft, die auf Autarkie ausgerichtet ist und – ein wenig – auf Austausch mit Ländern wie China, Indien oder Südafrika", sagt Meissner. "Speziell die Rüstungsmaschinerie läuft rein intern."

WAS MACHEN DIE RATINGAGENTUREN?

Die meisten Bonitätswächter haben sich nach Kriegsbeginn aus Russland zurückgezogen. Normalerweise würden sie die Kreditwürdigkeit des Landes nach einem Zahlungsausfall herabstufen. Das wiederum hätte höhere Zinskosten für Moskau zur Folge, da sich Investoren das gestiegene Risiko mit steigenden Zinsen bezahlen lassen würden.

WO IST DANN DAS PROBLEM FÜR MOSKAU?

"Russland kann mit seinen Überschüssen derzeit nicht viel anfangen", sagt Meissner. Daher wurde Druck auf die Abnehmer der Rohstoffexporte aufgebaut, Rubel zu nutzen. Präsident Wladimir Putin dürfte daher einen Zahlungsausfall nicht fürchten. "Die bisherigen Wirtschaftssanktionen werden Russland kaum zu einem Einlenken bewegen", sagt der Chef-Stratege der LBBW. "Bei den Wirtschaftssanktionen müssen wir in den Zeiträumen einer Dekade denken - mindestens." Der Zahlungsausfall dürfte das Land womöglich auch nach Kriegsende und einem Aus für die Sanktionen vom globalen Finanzmarkt abschneiden - nämlich bis die Gläubiger vollständig befriedigt und alle aus dem Ausfall resultierenden Rechtsstreitigkeiten beigelegt sind. 

(Reuters)