Emmanuel Macron hat die Präsidentenwahl in Frankreich Hochrechnungen zufolge gewonnen. Demnach stimmten in der Stichwahl am Sonntag 66,1 Prozent für den Linksliberalen. Die Kandidatin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erhielt 33,9 Prozent. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:

"An den Finanzmärkten dürfte der Sieg von Emmanuel Macron für Erleichterung sorgen. Trotz der klaren Umfrageergebnisse zugunsten von Macron sass der Stachel des Brexit-Votums und der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl noch tief. Ein gewisses Unwohlsein war deshalb vorhanden. Der Euro könnte noch leicht profitieren, da nun Spekulationen auf eine Ende der ultra-lockeren EZB-Geldpolitik zunehmen werden. Doch gerade hierbei ist Obacht angesagt. Die Inflationsraten im gemeinsamen Währungsraum werden noch über längere Zeit hinter den EZB-Vorgaben zurück bleiben. Grund für eine raschen geldpolitischen Kurswechsel besteht aus diesem Blickwinkel nicht. Die US-Notenbank bleibt derweil bei ihren moderaten Zinserhöhungen. Die transatlantische Zinsdifferenz spricht deshalb auf Sicht der kommenden Wochen für einen festeren US-Dollar. Daran ändert auch der Wahlsieg von Emmanuel Macron nichts."

Bruno Cavalier, Chefökonom der Bank Oddo BHF:

"Macron hat wie erwartet einen Erdrutschsieg gegen Le Pen erzielt. Aber es gab viel mehr Nichtwähler oder leere Wahlzettel als in der ersten Runde, was darauf hindeutet, dass ein grosser Teil der französischen Wähler nicht mit den Projekten von Macron einverstanden war. Die politische Lage in Frankreich ist noch nie so zersplittert gewesen. Ziel von Marcron wird es sein, eine Mehrheit bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni zu gewinnen. Das liegt sicherlich nicht ausser Reichweite, betrachtet man die Spaltung innerhalb der Mitte-Rechts-Partei."

Clemens Fuest, Präsident IFO Institut:

"Mit dem Sieg von Emmanuel Macron ist die Gefahr einer tiefen politischen und ökonomischen Krise für Frankreich und die gesamte EU abgewendet. Nun steht der Präsident vor der schwierigen Aufgabe, Frankreich zu reformieren, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu überwinden. Wenn ihm das gelingt, wird ganz Europa davon profitieren. Für Deutschland wird Emmanuel Macron ein herausfordernder, aber konstruktiver Partner sein. Für die europäische Währungsunion wünscht Macron sich mehr Gemeinschaftshaftung und mehr Umverteilung. Es ist wichtig, dass Deutschland eigene Konzepte zur Weiterentwicklung der Euro-Zone entwickelt, um für die anstehenden Gespräche vorbereitet zu sein."

Achim Wambach, Präsident des ZEW-Instituts:

"Entscheidend für die zukünftige Entwicklung in Europa wird vor allem sein, inwiefern es Emmanuel Macron gelingt, die Wirtschaft in Frankreich wieder in Gang zu bringen. In den vergangenen Jahren ist die wirtschaftliche Entwicklung in Frankreich der in Europa hinterhergelaufen. Hier kann Macron ansetzen, indem er die dringend notwendigen Strukturreformen in Frankreich voranbringt. Sein Programm sieht vor, die Staatsquote zu reduzieren, Unternehmenssteuern zu senken und die Arbeitsmärkte flexibler zu gestalten.

Von der wirtschaftlichen Erholung Frankreichs und einem starken Partner können Deutschland und Europa nur profitieren. Ausschlaggebend dafür wird aber sein, wie die Wahl zur französischen Nationalversammlung im Juni ausgehen wird und ob Emmanuel Macron eine stabile Mehrheit für seine Pläne findet."

Anton Börner, Präsident Aussenhandelsverband BGA:

"Das war eine Schicksalswahl für Europa. Die Franzosen haben für Europa und die Vernunft gestimmt. Es gibt keine bessere Nachricht für Deutschland: Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Emmanuel Macron. Wir haben die grosse Hoffnung, dass er die nötigen Reformen macht und die Weichen stellt für eine positive Entwicklung: für die Menschen, für die Wirtschaft und für Europa.

Für Europa heisst das, dass man sich jetzt an die Arbeit machen muss. Dass die rechtsextreme Marine Le Pen in die Stichwahl gelangt ist, war ein Warnsignal. Wir können nicht weitermachen wie bisher. Der Wahlausgang ist ein klarer Auftrag, die europäische Zusammenarbeit zu erneuern und zu vertiefen."

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefökonom

"Jetzt herrscht in Brüssel, Berlin und anderen Hauptstädten verständlicherweise Erleichterung. Auch ich freue mich. Aber nach der Wahl ist vor der Wahl. Macron wird bei den Parlamentswahlen im Juni kaum eine absolute Mehrheit erringen. Das spricht - zusammen mit seinem zögerlichen Programm - gegen eine beherzte Reformpolitik in Frankreich. Diese aber braucht das Land dringend. Ausserdem stehen spätestens im Mai 2018 Parlamentswahlen in Italien an, wo das Lager der Links- und Rechtspopulisten ähnlich stark ist wie in Frankreich. Der Euro-Raum kommt nicht zur Ruhe.

Bislang haben es die Gegner einer Mitgliedschaft in der Währungsunion in keinem Land an die Regierung geschafft. Aber die EU darf sich nicht nur von Wahl zu Wahl hangeln. Europa braucht endlich eine gemeinsame Vision für solide Staatsfinanzen, die aber auch mit einem französischen Präsidenten Macron nicht in Sicht ist. Schliesslich ist er für gemeinsame Anleihen, die die Bundesregierung zurecht ablehnt."

Marcel Fratzscher, DIW-Präsident

"Dies ist ein guter Tag für Frankreich, für Deutschland und für ganz Europa. Mit Emmanuel Macron hat Frankreich nun einen Präsidenten, der die besten Voraussetzungen mitbringt, um die Wirtschaft Frankreichs zu erneuern und Europa zu reformieren.

Macron steht vor ähnlich grossen Herausforderungen wie Gerhard Schröder als Bundeskanzler vor 15 Jahren. Er muss harte Wirtschaftsreformen anstossen und einen Mentalitätswandel herbeiführen, aber auch über 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler mitnehmen, die in der ersten Wahlrunde für links- oder rechtsextreme Kandidaten gestimmt haben und alle die, die sich enthalten haben.

Die Bundesregierung muss sich offener gegenüber gerechtfertigter Kritik aus Europa und Frankreich zeigen. Macron hat wiederholt die Bundesregierung für ihre Wirtschaftspolitik - die Investitionsschwäche, der Handelsüberschuss und die restriktive Finanzpolitik - kritisiert. Die Bundesregierung sollte diese Kritik konstruktiv annehmen und daran arbeiten, für das Wohl Europas als Ganzes und im Eigeninteresse ihren Beitrag dafür zu leisten, dass sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa zurückbilden."

Holger Sandte, Nordea-Chefökonom

"Das war der erwartete klare – und ich meine auch verdiente – Erfolg für Macron. Ich rechne mit einem guten Abschneiden von En Marche! auch bei der Parlamentswahl. Macron's wirtschaftspolitischen Pläne werden Frankreich voranbringen, wenn er sie umsetzen kann. Nach fünf mehr oder weniger verlorenen Jahren darf Frankreich diese Chance nicht vergeigen, sonst werden die Extremisten noch stärker."

(Reuters)