Läden: Ja. Restaurants: Nein. Trotz starkem Druck verzichtet der Bundesrat auf umfassendere Corona-Lockerungen per 1. März. Die Kritik aus dem Parlament und der Wirtschaft nimmt zu. Gesundheitsminister Alain Berset hält mit Zahlen dagegen: Die vergangenen Tage hätten die fragile Situation unterstrichen, sagte Berset: "Die Zahlen gehen nicht mehr runter." Zudem nähmen wie prognostiziert die mutierten Viren überhand. "Wir sind auf der Talsohle angelangt." Alle müssten deshalb vorsichtig bleiben.

In den allermeisten Punkten bestätigte der Bundesrat seinen vergangene Woche vorgeschlagenen Lockerungsplan. Der erste Öffnungsschritt ab dem 1. März beinhaltet im Wesentlichen Aktivitäten, bei welchen Maske und Abstand gewährleistet werden können, nur wenige Menschen zusammenkommen und die Kontakte im Freien erfolgen.

Restaurant-Terrassen müssen schliessen

Konkret: Ab Montag wieder öffnen können Läden, Museen und Lesesäle von Archiven und Bibliotheken. Auch die Aussenbereiche von Zoos, botanischen Gärten und Freizeitanlagen sind wieder zugänglich. Ebenfalls wieder offen sind Sportanlagen im Freien, etwa Kunsteisbahnen, Tennis- und Fussballplätze und Leichtathletikstadien. Im Freien sind Treffen im Familien- und Freundeskreis sowie gewisse sportliche und kulturelle Aktivitäten mit bis zu 15 Personen wieder erlaubt.

Mit Verweis auf die unsichere epidemiologische Lage verzichtete der Bundesrat aber darauf, Restaurant-Terrassen bereits ab der kommenden Woche wieder zu öffnen. Diesen rascheren Lockerungsschritt hatte unter anderem eine knappe Mehrheit der Kantone gefordert.

"Es ist klar, dass mit dem heutigen Entscheid Terrassen geschlossen sein müssen", sagte Berset. Einige Betriebe in Skigebieten setzen sich aber bisher über diese Regel hinweg. Der Terrassenstreit bleibt damit ungelöst.

«Keine Alibi-Übung»

Der Bundesrat sei sich bewusst, dass viele Leute nicht glücklich seien mit den getroffenen Entscheiden, sagte Bundespräsident Guy Parmelin. Vielen gingen die Schritte nicht weit genug. Es sei aber die Rolle des Bundesrats, Entscheide zu treffen, auch wenn diese nicht allen Freude bereiteten. "Regieren bedeutet, politische Entscheidungen zu treffen, die nach bestem Wissen und Gewissen dem Gemeinwohl dienen."

Parmelin wehrte sich gegen den Vorwurf, dass der Bundesrat zahlreiche Anliegen aus der Konsultation nicht berücksichtigt habe. "Es war keine Alibi-Übung". Gewisse Anliegen der Kantone und weiterer Akteure seien aufgenommen worden. Dazu gehöre, dass bereits am 22. März und damit zehn Tage früher als ursprünglich geplant ein zweiter Öffnungsschritt möglich wäre.

Am 12. März will der Bundesrat skizzieren, ob und wie Restaurants - nicht nur Terrassen - wieder geöffnet werden könnten. Eine Woche später will er unter Berücksichtigung der dann geltenden Lage definitiv entscheiden. Auch über Lockerungen für Kultur- und Sportveranstaltungen mit Publikum, Sport in Innenräumen sowie Präsenzunterricht an Hochschulen soll gesprochen werden - und nicht zuletzt auch über die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht.

Von «ungenügend» bis «vernünftig»

Vielen geht das weiterhin zu langsam. Gastrosuisse, der Verband für Hotellerie und Restauration, hält den Bundesratsentscheid für "nicht nachvollziehbar". Auch vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und vom Gewerbeverband gibt es die Note "Ungenügend". Letzterer unterstrich seine Forderung nach einem sofortigen Ende des Shutdown.

Ins gleiche Horn stossen SVP und FDP. Sie wollen Öffnungsdaten für Gastronomiebetriebe, Kultur- und Freizeitstätten am 22. März im Covid-19-Gesetz festschreiben. Das Parlament berät das Gesetz in der Frühlingssession.

SP, Grüne, GLP und Die Mitte begrüssen dagegen den "vernünftigen Kurs" des Bundesrats. Die Situation sei noch nicht so gut, als dass schnellere Öffnungen angezeigt wären. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete am Mittwoch 1343 neue Coronavirus-Ansteckungen innerhalb von 24 Stunden, mehr als in den Tagen davor.

Zusammenhalt notwendig

Nicht ein geteiltes Land, sondern ein geeintes Land werde diese Epidemie letztlich überwinden, sagte Parmelin mit Blick auf die unterschiedlichen Meinungen in der Bevölkerung. Der Bundesrat erwarte, dass die Massnahmen weiter von allen eingehalten und umgesetzt würden.

"Wir sind auch sehr müde in dieser Situation. Wir können auch nicht mehr", hielt Berset gegen Ende der Medienkonferenz des Bundesrats fest. Man befinde sich aber noch mitten in der Krise. Es brauche weiterhin die Disziplin von allen.

(AWP)