Das neuartige Coronavirus, das Ende letzten Jahres erstmals in Zentralchina auftrat, hat eine Pandemie ausgelöst, die bereits zehntausende Menschen das Leben kostete. Obwohl die meisten Todesfälle bisher in Europa verzeichnet wurden, haben die USA mittlerweile die meisten bestätigten Fälle in einem Land. Während weltweit die ersten 100'000 Fälle
innerhalb von drei Monaten auftraten, hat sich diese Zahl erst innert 12 Tagen verdoppelt und anschliessend noch einmal in weniger als einer Woche. Gesundheitsexperten befürchten, dass das Virus, das die Lungenkrankheit Covid-19 verursacht, zu einem der verheerendsten Ausbrüche der letzten Jahrzehnte werden könnte. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

1. Was macht das Coronavirus eigentlich so schlimm?

Das Virus wird als "heimtückisch" beschrieben, weil es vielen infizierten Menschen gut geht und sie somit das Virus unabsichtlich an andere übertragen. Die Inkubationszeit wird auf fünf bis sechs Tage geschätzt. Allerdings entwickeln einige der Infizierten, wie zum Beispiel Kinder, gar keine Symptome. Bei einer chinesischen Studie mit 191 Patienten betrug die Dauer der Infektiosität im Median 20 Tage, mit einem Maximalwert von 37 Tagen. Eine japanische Studie hat herausgefunden, dass ein erheblicher Teil der Infektionen wahrscheinlich von Menschen übertragen wird, bevor sie krank werden. Dies macht es schwierig, Personen zu identifizieren, mit denen sie während dieser Ansteckungszeit engen Kontakt hatten, um Vorsichtsmassnahmen gegen eine weitere Ausbreitung zu treffen.

2. Wie tödlich ist das Coronavirus?

Schätzungen der Sterberate sind in den frühen Stadien eines Ausbruchs unzuverlässig, da es viele Menschen mit milden Verläufen geben kann, die nicht einbezogen werden. Eine Reihe von Projektionen bezifferte die Rate auf etwa 1 Prozent, zehnmal tödlicher als die saisonale Grippe. Eine Studie vom 30. März schätzte sie auf 0,66 Prozent. Im Vergleich dazu betrug die Letalität während der SARS-Epidemie 2002 bis 2003 9,5 Prozent und bei MERS-CoV in 2012 34 Prozent (2499 Todesfälle). Allerdings wurden bei diesen Ausbrüchen die Viren nicht so effizient von einer zur anderen Person übertragen und verbreiteten sich auch nicht so weit. Bei der schlimmsten Pandemie in der Neuzeit 1918 fielen der Grippe schätzungsweise 50 Millionen Menschen zum Opfer, das waren ungefähr 2 Prozent der Infizierten. Die Schweinegrippe 2009, die letzte Pandemie, infizierte allein in den USA etwa 61 Millionen Menschen und tötete davon im ersten Jahr im Umlauf ungefähr 12'469 Personen.

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3. Wie verläuft die Krankheit beim Coronavirus?

Bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen kommt es in den meisten Fällen nur zu leichten Symptomen, die ungefähr zwei Wochen andauern. Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf über drei bis sechs Wochen. Bei einer chinesischen Studie wurden 81 Prozent der bestätigten Fälle als mild, 14 Prozent als schwer und 4,7 Prozent als kritisch eingestuft. Oft wurden als erste Anzeichen Fieber, trockener Husten und Müdigkeit berichtet. Auch scheint bei einigen Patienten ein plötzlicher Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns aufzutreten. Die Produktion von Sputum (Auswurf) ist ein weiteres Symptom, wenn das Virus in Nase und Rachen bleibt, was bei den meisten Infizierten der Fall ist. Gefährlich wird es erst, wenn die Lunge erreicht wird.

4. Zu welchen Komplikationen kann es kommen?

Jeder siebte Patient entwickelt Atembeschwerden und andere schwere Komplikationen. Laut einem Bericht der WHO können bei schwer Erkrankten Komplikationen wie Lungenversagen, Versagen weiterer lebenswichtiger Systeme und septischer Schock hervorgerufen werden. In einer frühen Studie entwickelten mehr als ein Viertel der Krankenhauspatienten ARDS (Akutes progressives Lungenversagen).

5. Wer ist am stärksten von Komplikationen bedroht?

Komplikationen treten überwiegend bei älteren Personen und solchen mit Vorerkrankungen auf. Viele der Todesfälle ereigneten sich bei Patienten mit anderen Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine chinesische Studie mit 72'000 Fällen ergab, dass 81 Prozent der Todesfälle bei Patienten über 60 Jahren auftraten. In einer anderen Studie in den USA lag das Alter in 80 Prozent der Todesfälle bei mindestens 65 Jahren. Gemäss der US-Behörde CDC (Center for Disease Control and Prevention) traten im Gegensatz dazu bei der Schweinegrippe 80 Prozent der Todesfälle bei Personen auf, die jünger als 65 Jahre waren.

6. Wie infiziert man sich mit dem Coronavirus?

Laut WHO erfolgt die Übertragung über eine Tröpfcheninfektion. Dabei geraten die Viren in Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen, in die Luft. Diese werden dann direkt mit der Atemluft aufgenommen, wenn man sich in der Nähe einer infizierten Person befindet. Eine andere Art der Übertragung ist die Schmierinfektion, wobei kontaminierte Oberflächen erst berührt werden und dann mit der gleichen Hand die Nase, den Mund oder die Augen. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass das Coronavirus bis zu vier Stunden auf Kupfer, 24 Stunden auf Karton, 48 Stunden auf Edelstahl und 72 Stunden auf Kunststoff überleben kann. Einfache Desinfektionsmittel töten das Virus ab.

7. Kann das Coronavirus auch anders übertragen werden?

Theoretisch besteht ein Risiko, dass sich das Coronavirus über den Stuhl oder Aerosole (Tröpfchenkerne) ausbreiten kann. In einer Studie mit experimentell erzeugten und mit Coronaviren angereicherten Aerosolen konnte das Virus in der Luft bis zu drei Stunden lang nachgewiesen werden. Die WHO betonte jedoch, dass nach aktuellen Erkenntnissen eine Übertragung über die Luft auf medizinische Behandlungen von Covid-19-Patienten, bei denen Aerosole erzeugt werden (etwa Tracheostomien), beschränkt ist. Die WHO berichtete ausserdem, dass in China bei einer Analyse von mehr als 75'000 Fällen keine Übertragung durch die Luft gemeldet wurde.

8. Wie ansteckend ist das Coronavirus?

Epidemiologen versuchen, die Ansteckungsgefahr zu messen, indem sie die Zahl der Menschen, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, abschätzen. Dieser Indikator, die Basisreproduktionszahl R0, gibt an, wie schwierig es sein wird, eine Epidemie einzudämmen. Eine Studie über einen Ausbruch an Bord eines Kreuzfahrtschiffes schätzte den R0-Wert für das Coronavirus in diesem Fall auf 2,28 im frühen Stadium. Eine mathematische Analyse des Los Alamos National Laboratory ergab jedoch, dass die Basisreproduktionszahl während der frühen Epidemie in Wuhan 5,7 betrug. Die Ergebnisse des Los-Alamos-Teams waren spezifisch für den Wuhan-Ausbruch. Sollte dies auch auf andere Teile der Welt zutreffen, wäre die Pandemie womöglich schwieriger zu kontrollieren, als einige Behörden erwartet haben. Zum Vergleich: Die saisonale Grippe hat einen R0-Wert von ungefähr 1,3 und tötete in den USA in der Grippesaison 2017/18 um die 61'000 Menschen.

9. Kann man sich mit dem Coronavirus mehr als einmal anstecken?

Diese wichtige Information ist nicht bekannt. Südkoreas Seuchenschutzbehörde berichteten Anfang April, dass sich 51 Patienten erholt hatten und danach erneut positiv getestet wurden. Der Leiter der Behörde deutete an, dass sich diese Personen womöglich nicht neu infiziert haben, sondern dass es sich um Fälle einer Reaktivierung des Virus handelt. In einer am 12. März veröffentlichten Studie stellten die Forscher die Theorie auf, dass es einige Tage dauern kann, bis das Immunsystem die restlichen Viren vollständig beseitigt hat, die schwer nachweisbar sein können. In diesem Zeitraum kann das Virus kurzzeitig wieder aufleben. Je nach allgemeinem Gesundheitszustand des Patienten besteht dann die Gefahr eines Rückfalls.

10. Warum ist die Frage der Re-Infektion so wichtig?

Bei vielen Krankheitserregern entwickelt der Körper Antikörper, die lebenslang vor einer erneuten Infektion schützen. Dies ist allerdings nicht immer der Fall. Bei anderen menschlichen Coronaviren wurde festgestellt, dass es nach einigen Monaten oder Jahren oft zu einer erneuten Infektion kommen kann. Wenn genügend Menschen in einer Region entweder durch vorherige Krankheit oder Impfung gegen das Virus immun geworden sind, spricht man von einer sogenannten Herdenimmunität. Dies reduziert die Anzahl anfälliger Personen so weit, dass sich die Übertragung verlangsamt und das Virus sich nicht weiter ausbreiten kann. Der erforderliche Prozentsatz hängt vom R0-Wert ab. Für einen R0 von 2,2 liegt der Schwellenwert bei etwa 55 Prozent; für einen R0 von 5,7 steigt er auf 82 Prozent.

11. Könnte warmes Wetter den Ausbruch des Coronavirus verlangsamen?

Die Grippe tritt bevorzugt in den Wintermonaten auf, aber ob wärmere Temperaturen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus auch bremsen wird, ist noch unklar. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass die Grippe bei wärmerem Wetter auf die gegenüberliegende Hemisphäre wandert, bevor sie bei kühlerem Wetter wieder zurückkehrt. Also selbst wenn der Sommer die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt, könnte es im Herbst zurückkehren.

12. Was ist eigentlich ein Coronavirus?

Coronaviren wurden nach ihrer kronenartigen Form benannt. Die Familie der Coronaviren ist gross und für leichte Erkältungen bis hin zu MERS verantwortlich. Einige dieser Krankheiten werden leicht von Person zu Person übertragen, andere nicht. Laut WHO tauchen weltweit regelmässig neue Stämme auf, wobei mehrere bekannte Versionen auf bestimmte Tiere spezialisiert sind und nicht auf Menschen übergesprungen sind.

13. Woher kam das Coronavirus?

Das Virus trat Anfang Dezember erstmals in der Industriestadt Wuhan, Hauptstadt der Provinz Hubei, auf, die 11 Millionen Einwohnern hat. Es wurde davon ausgegangen, dass die Quelle des Ausbruchs von einem Fischmarkt, auf dem auch lebende Tiere verkauft wurden, stammt. Aber bei etwa einem Drittel der ersten 41 Fälle wurde kein Zusammenhang festgestellt. Das virale Genom ist eng mit mehreren Coronaviren verwandt, die in Fledermäusen vorkommen. Tierkrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, sogenannte Zoonosen, machen einen grossen Prozentsatz aller neu identifizierten Infektionskrankheiten aus.

14. Muss ich mir Sorgen um mein Haustier machen?

Laut der WHO und der AVMA (Amerikanische Tierarztvereinigung) gibt es noch keinen Beweis dafür, dass Haustiere Covid -19 auf Menschen übertragen können. Allerdings gab es Meldungen über Tiere, die sich anscheinend vom Menschen mit der Krankheit infiziert haben. In dem Bronx Zoo, einem zoologischen Garten in New York, wurde laut USDA National Veterinary Services Laboratories ein Tiger positiv auf das Coronavirus getestet. Ausserdem hatten zwei Hauskatzen und zwei Hunde, die mit infizierten Besitzern leben, ein positives Testergebnis. Jacqui Norris, Professorin für veterinärmedizinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten an der Universität Sydney, sagte, der Zeitpunkt dieser Ergebnisse weise auf den Transfer von Mensch zu Tier hin. Tausende andere Tiere, die getestet wurden, waren negativ. Aus Sicherheitsgründen empfehlen die Gesundheitsbehörden, dass eine infizierte Person auch mit Haustieren soziale Distanz wahren sollte. Wenn dies nicht möglich ist, muss richtige Handhygiene angewendet werden.

(Bloomberg)