Die Zeit wird knapp für US-Unternehmen, die öffentliche Aufträge ergattern wollen: Sie müssen auf Anordnung von Präsident Joe Biden bis zum 8. Dezember ihre Belegschaft vollständig gegen Corona immunisiert haben. Das heisst, die Zweit-Impfung muss zwei Wochen vor Fristablauf erfolgt sein. Für die Unternehmen tickt also die Uhr, obwohl die Biden-Regierung signalisiert hat, dass die Firmen nicht sofort ungeimpfte Arbeitnehmer entlassen müssen, die die Frist versäumen. Gewerkschafter fürchten dennoch den Verlust tausender Arbeitskräfte und ein Abflachen der ohnehin schleppenden Wirtschaftserholung.

So sind etwa in Wichita im Bundesstaat Kansas die Hälfte der rund 10.000 Beschäftigten der Flugzeugunternehmen Textron und Spirit AeroSystems ungeimpft. "Wir werden dadurch viele Mitarbeiter verlieren", kritisiert Cornell Beard, Gewerkschaftsvertreter von Spirit AeroSystems. Viele Arbeiter hätten keine Einwände gegen die Impfstoffe, lehnten aber jede Einmischung der Regierung bei ihre persönlichen Gesundheitsentscheidungen ab. Sein Gewerkschaftsbezirk hat einen Anwalt engagiert, um Mitarbeiter bei der Vorbereitung möglicher Klagen gegen die Unternehmen zu unterstützen, sollten medizinische oder religiöse Ausnahmen gegen die Impf-Pflicht abgelehnt werden.

Biden hat angesichts der wieder aufflammenden Corona-Infektionen Impfgegnern den Kampf angesagt. Er hat angeordnet, dass alle Mitarbeiter der Bundesregierung geimpft sein müssen und auch Angestellte von Firmen, die für die Bundesregierung arbeiten. Die neuen Massnahmen werden für etwa zwei Drittel aller US-Beschäftigten gelten. Die Anordnung hat vor allem in den von Republikanern regierten Bundesstaaten Proteste ausgelöst.

Relativ tiefe Impfquote

In den USA sind etwa 193 Millionen der insgesamt rund 328 Millionen Bürger vollständig geimpft, etwa 222 Millionen mindestens einmal.

Etliche grosse Arbeitgeber haben bereits eine Covid-Impfpflicht für ihre Mitarbeiter angeordnet - etwa Procter & Gamble und 3M sowie die Fluggesellschaften American Airlines und JetBlue. Aber auch Mercedes-Benz in den USA hat eine Impfung als Beschäftigungsbedingung verfügt, obwohl der Konzern kein Regierungs-Auftragnehmer ist. "Wir gehen davon aus, dass die überwiegende Mehrheit unserer Mitarbeiter vor Ablauf der Frist einen Impfnachweis vorlegen wird", teilte das Unternehmen mit.

Der Waffenhersteller Raytheon hat bereits gewarnt, das Unternehmen könnte wegen der Vorgabe tausende Mitarbeiter verlieren. Eine Gruppe um die Frachtdienstleister FedEx< FDX.N> und UPS erklärte, es sei praktisch unmöglich, alle Mitarbeiter fristgerecht impfen zu lassen.

Viele Rechtsexperten sind der Auffassung, dass eine Impfpflicht im Interesse der öffentlichen Gesundheit und damit legal ist. Das Oberste US-Gericht hat bereits mehrere Klagen gegen die Impf-Verordnung abgelehnt, auch wenn religiöse Gründe genannt wurden. Bei Boeing in den USA haben mehr als 7000 Arbeitnehmer dies ins Feld geführt, um eine Impfung zu umgehen, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Weitere 1000 wollten sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen. Das wären zusammen rund sechs Prozent der rund 125.000 Mitarbeiter des US-Flugzeugbauers.

Vor einigen Tagen hatten sich knapp drei Dutzend Boeing-Beschäftigte bei strömenden Regen vor dem Werk in Auburn versammelt. Sie erklärten, sich am 8. Dezember lieber vom Grundstück des Flugzeugbauers eskortieren zu lassen, als sich impfen zu lassen. Einige sagten, sie würden ihren vorzeitigen Ruhestand planen. "Das Vorhaben ist illegal, unmoralisch und unpraktisch", sagte ein Boeing-Mitarbeiter zu der Impf-Pflicht. "Wir stehen zusammen gegen ein Unternehmen und eine Regierung, die unsere Rechte mit Füssen treten." Für das Boeing-Management ist die Lage verzwickt: Der Konzern könnte Fachkräfte verlieren, muss aber einer präsidialen Anordnung nachkommen.

Der Gewerkschafter Beard von Spirit Aerosystems hat schon seine Schlüsse aus Bidens Anordnung gezogen. Bislang, so sagt er, habe er immer die Demokraten gewählt. Aber das sei jetzt vorbei. "Sie werden nie wieder meine Stimme bekommen und ich sage das auch den Arbeitern hier."

(Reuters/cash)