Es ist ein hochkarätiges Treffen in Berlin. Trotzdem darf man keine Wunder erwarten. Denn ein künftiges Abkommen Schweiz-EU wird mit der EU-Kommission ausgehandelt, die vom Bundesrat zügig einen neuen Vorschlag erwartet. Doch auch in der Schweiz steigt der Druck.
Erst am Wochenende äusserten sich die Mitte-Partei und die Grünen zur Schweizer Europapolitik. Bereits im letzten Jahr präsentierten SP und FDP ihre Ideen.
Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo sieht den Grund für die vielen Vorschläge beim Bundesrat. Dieser habe "im EU-Dossier bisher keinen Führungs- und Gestaltungswille gezeigt". Zudem habe sich seit dem Verhandlungsabbruch mit der EU zum institutionellen Rahmenabkommen die Gefahr einer Erosion der bilateralen Verträge verstärkt. "Auch darum hat die Diskussion an Fahrt aufgenommen."
Strategien und Konzepte
So kursieren zurzeit die verschiedensten Ideen: Sowohl die Mitte-Partei wie auch die FDP wollen die institutionellen Fragen in den einzelnen Abkommen regeln, wobei die Freisinnigen - anders als die Mitte-Partei - eine Paketlösung mit neuen Abkommen favorisieren.
Die SP schlägt in ihrer EU-Roadmap einen Zwei-Phasen-Fahrplan vor: Zuerst soll ein befristetes Stabilisierungsabkommen ausgehandelt werden, "da wir nicht von einer schnellen Lösung ausgehen", erkläre SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Später soll ein Kooperations- und Wirtschaftsabkommen folgen.
Als einzige Partei will die SVP den Status quo beibehalten - also keine verstärkte institutionelle EU-Anbindung. "Trotz der Erpressungsversuche der EU" habe man in den wichtigsten Bereichen wie beim Freihandelsabkommen keine Probleme, sagte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. "Ausserdem hat auch die unter Druck geratenen Medizintechnikbranche eine Lösung gefunden."
Ein Konzept hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) nicht veröffentlicht. SGB-Chefökonom Daniel Lampart weist jedoch darauf hin, dass bei einem neuen Abkommen "die Versorgungssicherheit beim Strom und beim Cloud-Computing" Themen sein sollten.
Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sei die "Sicherung des bilateralen Weges" oberstes Ziel, sagt Präsidenten Christoph Mäder. Denn der EU-Binnenmarkt sei der wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Unternehmen. "Und er wird es bis auf Weiteres auch bleiben."
Freizügigkeit bleibt heisses Eisen
Heisses Eisen bleibt die Personenfreizügigkeit. So verlangt die FDP hier Ausnahmen bei der dynamischen Rechtsübernahme. Für Parteipräsident Thierry Burkart ist vor allem die Unionsbürgerrichtlinie problematisch - ebenso für die Mitte-Partei.
Diese will aber keine dynamische Rechtsübernahme und Streitschichtung mit EU-Gerichtshof. Im Notfall könne man aber über die Übernahme von EU-Recht in Verbindung mit Schutzklauseln diskutieren, sagte Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy.
Für die SP sowie den SGB bleibt der Lohnschutz zentral. Dieser sei nicht verhandelbar, sagte Lampart. Und für Economiesuisse ist klar: Das Freizügigkeitsabkommen sei in den letzten 20 Jahren laufend angepasst worden. "Dies sollte auch künftig gemacht werden, weil sich der Arbeitsmarkt laufend verändert", sagte Mäder.
Für Klaus Armingeon, Politologe an der Universität Zürich, sind unter all den Vorschlägen "keine beeindruckend neuen Ideen". Denn die Grundsatzfragen blieben weiter erhalten. Am Ende müssten die Parteien, die den Zwang zu einer Rahmenregelung sehen, jedoch einen Konsens finden. "Einen solchen Konsens habe ich aber noch nicht gesehen."
(AWP)