"Mit dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen droht eine Art 'Schwexit'", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel würden wohl schleichend erodieren. Das ist eine der vielen Reaktionen auch aus dem Ausland zum Abbruch der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU durch den Bundesrat.

Die Reaktionen in der Schweiz sind natürlich noch zahlreicher. Die SP äussert Bedauern über den Verhandlungsabbruch. Es sei schade, dass der Bundesrat nicht ernsthaft alternative Wege geprüft habe. Jetzt müssten alle konstruktiven Kräfte zusammen an einer Europapolitik mit Perspektive arbeiten. Die Frage nach Beitrittsverhandlungen dürfe kein Tabu sein. Die dynamische Rechtsübernahme - und damit die faktische Passivmitgliedschaft der Schweiz in der EU - ohne politische Beteiligung an den entsprechenden Entscheiden sei aus demokratiepolitischer Perspektive problematisch.

"Es hätte in den Verhandlungen mit der EU durchaus für beide Seiten gangbare Lösungen gegeben", wird SP-Co-Präsident Cédric Wermuth in einer Stellungnahme seiner Partei zitiert. Dass diese gescheitert sind, liege vor allem am fundamentalen Vertrauensbruch der zuständigen FDP-Aussenminister, als deren Verhandlungsführende versucht hätten, den Lohnschutz und den Service public über die Hintertüre des Rahmenabkommens zu schwächen. 

"Historischer Fehlentscheid des Bundesrates"

Die FDP reagiert mit Bedauern und Besorgnis auf den Abbruch der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU. Es müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die negativen Folgen der Beendigung der Verhandlungen wo möglich zu verhindern oder zumindest abzufedern.

Angesichts der Bedeutung der bilateralen Beziehungen stehe der gesamte Bundesrat in der Verantwortung, möglichst rasch ernsthafte Vorschläge zu präsentieren, wie der Wohlstand der Schweiz gesichert und der bilaterale Weg weiterentwickelt werden könne, schreibt die FDP weiter.

Die Grünen kritisieren den Verhandlungsabbruch. Eine Einigung mit materiellem Erhalt des Lohnschutzes wäre möglich gewesen, schreibt Parteipräsident Balthasar Glättli (ZH) im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Bundesrat habe es verpasst, die damalige Koalition für die Bilateralen zu erneuern. Bundesrat Ignazio Cassis habe mit dem Rahmenabkommen den Lohnschutz schwächen wollen. Diese Fehler hätten zum heutigen Scherbenhaufen geführt.

Der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, schreibt auf Twitter von einem historischen Fehlentscheid des Bundesrates. Er breche die Verhandlungen mit der EU ab, ohne einen angemessen Plan für die Zukunft. Es sei nicht akzeptabel, dass der Bundesrat dieses zentrale Dossier ohne Einbezug des Parlaments nicht mehr weiterverfolgen wolle. Eine so folgenreiche Entscheidung brauche eine stärkere demokratische Legitimation, fordern die Grünliberalen weiter.

Bedauern bei der Wirtschaft

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse äussert Bedauern darüber, dass die Beratungen zwischen Bern und Brüssel zu keinem einvernehmlichen Ergebnis geführt haben. Nun liege es am Bundesrat, den bilateralen Weg zu stabilisieren und den Schaden zu minimieren.

Ein langfristiges und stabiles Verhältnis zur Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten bleibe für die Schweizer Wirtschaft von grösster Bedeutung. Es müsse deshalb das vordringliche Ziel der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik bleiben, die Vorteile des bilateralen Wegs zu erhalten. Wo die Erosion bilateraler Abkommen zu absehbaren Nachteilen für den Wirtschaftsstandort führe, brauche es gezielte Massnahmen zur Abfederung der Schäden.

Swissmem äussert sich enttäuscht über den Entscheid des Bundesrats. Mit dem Verhandlungsabbruch werde keines der bestehenden Probleme mit der EU gelöst. Stattdessen gefährde dieser Schritt mittelfristig den bisher vom Volk mehrfach bestätigten und erfolgreichen bilateralen Weg der Schweiz. Swissmem fordert den Bundesrat auf, die negative Wirkung seines Entscheids durch Reformen im Inland zu mildern.

Die Schweizerische Bankiervereinigung hat sich für eine Sicherung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs ausgesprochen. Auch für die Schweizer Banken sei ein sicheres und stabiles Verhältnis zur EU als wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz unabdingbar.

Freude beim Gewerkschaftsbund

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) begrüsst den heutigen Entscheid des Bundesrates, der den eigenständigen Lohnschutz gewährleistet. Der Preis eines Verhandlungsabschlusses über dieses Rahmenabkommen wäre für die Arbeitnehmenden in der Schweiz zu hoch gewesen. Der Verhandlungsverlauf habe gezeigt, dass der Lohnschutz durch das Abkommen substanziell geschwächt und der Service public gefährdet worden wäre. Der Schutz der Arbeitnehmenden müsse verbessert und nicht verschlechtert werden - in der Schweiz und in der EU.

Die Bilateralen Verträge seien aber für die Arbeitnehmenden wichtig. Eine Eskalation durch die Schweiz oder die EU-Kommission sei unerwünscht. Auch wenn es in Bezug auf das Rahmenabkommen unterschiedliche Sichtweisen gebe, müssten die bestehenden Verträge eingehalten werden. Die Schweiz solle daher die Kohäsionsmilliarde baldmöglichst freigeben. Umgekehrt habe sich die EU durch die Bilateralen Verträge zur gegenseitigen Produkteanerkennung verpflichtet.

(AWP)