Es ist mehr als ein Freundschaftsdienst, den US-Präsident Joe Biden dem Kanzler erweist. Als er auf Schloss Elmau im sogenannten Summit-Pavillon vor prächtiger Bergkulisse mit Olaf Scholz zusammentrifft, legt er ihm den Arm mal auf den Rücken, mal auf den Arm - und lobt den Kanzler über den grünen Klee. "Danke, danke, danke", betont der US-Präsident mit Blick auf Scholz' Arbeit seit dessen seit Amtsantritt. Es wirkt fast so, als wolle das Staatsoberhaupt der westlichen Supermacht auf dem G7-Gipfel alle Kritik gerade aus Osteuropa an einer angeblich zu zögerlichen deutschen Ukraine-Politik wegwischen und das Signal aussenden: "Mein Buddy Olaf ist prima."

Überraschend kommt die Freundlichkeit aber nicht. Denn seit Wochen wird in deutschen Regierungskreisen Medienberichten über angebliche Spannungen zwischen Washington und Berlin vehement widersprochen. Je höher man in der Hierarchie auf beiden Seiten komme, desto besser seien im Gegenteil die persönlichen Beziehungen, wird in Regierungskreisen immer wieder betont. Tatsächlich hat man selten einen deutschen Regierungschef im Vorder- und Hintergrund so über einen US-Präsidenten schwärmen hören wie Scholz. Tatsächlich scheint das Duo dort anzuknüpfen, wo ihre Vorgänger Obama und Merkel beim letzten harmonischen G7-Treffen in Elmau vor sieben Jahren aufgehört hatten. Die Amtszeit von Bidens unmittelbarem Vorgänger Donald Trump wirkt da nur noch wie ein zwischenzeitlicher dunkler Schatten auf den transatlantischen Beziehungen.

Gemeinsamer Gegner vereint

Und der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die politische Nähe von Berlin und Washington noch gefördert - was etwa in Paris nicht nur mit Begeisterung gesehen wird. Denn wechselnde Bundesregierungen haben immer dafür plädiert, Sicherheit auf die zwei Pfeiler USA und EU zu stellen - und nicht wie Macron von eine europäischen Autonomie anzustreben. Der Ukraine-Krieg habe klar gemacht, dass Europa auf die USA angewiesen sei, heisst es nun in Berlin. Der 64-jährige Hamburger Scholz hatte diese Sichweise seit langem vertreten. "Ausserdem hat er sich schon immer sehr für Amerika interessiert", sagt ein enger Vertrauter, der nicht genannt werden will.

"Sie sind Brüder im Geiste und haben mit einigen der gleichen Herausforderungen zu kämpfen", beschreibt Steven Sokol, Präsident des American Council on Germany, das Verhältnis zwischen dem 79-jährigen Amerikaner und dem Kanzler. Beide demonstrieren Einigkeit bei der Unterstützung der Ukraine und im Widerstand gegen Russland. Und die Bundesregierung wird nicht müde zu betonen, dass die Übereinstimmung ungeachtet der Debatte über Waffenlieferungen sogar für die Grenzen der militärischen Hilfe für die Ukraine gelte. "Selten war die Sanktionspolitik zwischen den USA und der EU so eng abgestimmt", lobt man im Kanzleramt - und auch im Weissen Haus gibt man sich zufrieden. Scholz punktete mit seiner Zeitenwende-Rede im Bundestag am 27. Februar und mit seiner Ankündigung, die Bundeswehr mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro auszurüsten: Das half das Misstrauen in Washington gegenüber der Ampel-Regierung zu beseitigen. Dass Scholz dafür sorgte, dass in den USA nun F35-Kampfjets bestellt werden, wird in Paris durchaus mit Skepsis, in Washington aber mit Freude gesehen.

Und die Nähe geht weit über die Krieg in der Ukraine hinaus. Scholz sieht Biden als Gleichgesinnten im Kampf gegen ein Abdriften westlicher Demokratien. So wie Biden in seinem Wahlkampf um die Mittelklasse warb, sieht es auch Scholz als eine seiner Hauptaufgaben an, die Gesellschaft zusammenzuhalten - und die mitzunehmen, die sich durch Globalisierung und Digitalisierung angehängt fühlen. "Bidens Denken war sogar ein wenig Vorbild für Scholz' Konzept von Respekt", heisst es in der Umgebung des Kanzlers.

Dazu kommt, dass der SPD-Politiker auch die Vorstellung Bidens teilt, dass sich die G7-Staaten in einer schnell verändernden Welt stärker um die weltweiten Demokratien kümmern müssen. Biden lud deshalb schon im Dezember zu einem Demokratie-Gipfel. Scholz wirbt derzeit als G7-Vorsitzender ebenfalls um Demokratien auf anderen Kontinenten und hat Indien, Indonesien, Argentinien, Senegal und Südafrika nach Elmau eingeladen. Beide sind überzeugt, dass sich der Westen in der Systemauseinandersetzung mit autoritären Regimen wie China und Russland um neue Partner bemühen muss.

Auch Unterschiede zwischen den Partnern

Allerdings zeigen sich Differenzen. Scholz will auch die einbinden, die keine Demokratien im westlichen Sinne sind, aber Interesse haben, dass keine Grenzen infrage gestellt werden wie durch Russland. Ein grosser Unterschied ist dies aber nicht. Fast belustigt registriert man in Berlin, wie problemlos die US-Regierung plötzlich wieder Kontakte zu moralisch verschmähten Ländern wie Venezuela und Saudi-Arabien knüpft, weil man deren Öl nach der Abkehr von Russland braucht. Das erinnert an die deutschen Volten gegenüber Gas-Produzenten wie Katar.

Nur beim Führungsstil sieht Tyson Barker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) Unterschiede. "Sie sind keine Partner in 'leadership' - Scholz wächst erst noch in diese Rolle hinein", sagt er und verweist darauf, dass sich der Kanzler bei Gruppenfotos oft an die Seite drückt.

Das wird Scholz in Elmau als Gastgeber allerdings nicht machen können. Sein Parteichef Lars Klingbeil (SPD) mahnt ohnehin mehr deutsche Führungsrolle an. Sokol sagt deshalb, er könne sich gut vorstellen, dass es eine Männerfreundschaft zwischen beiden gebe. "Beide neigen dazu, pragmatisch und nicht idealistisch zu sein. Und beide dachten zumindest, dass sie wirklich über die Parteigrenzen hinweg arbeiten könnten." Der seit 2021 regierende Biden musste aber anders als Scholz bereits feststellen, wie schwierig dies ist.

(Reuters)