In einer repräsentativen Umfrage, die die Zeitung "La Repubblica" am Sonntag veröffentlichte, lag der 73 Jahre alte Ökonom auf dem Spitzenplatz unter den Top-Politikern des Landes. Ihm folgte auf Platz zwei der gescheiterte bisherige Premier Giuseppe Conte. Bei seiner dreitägigen Sondierungsrunde auf der Suche nach einer neuen Parlamentsmehrheit hatte Draghi auch von den meisten Parteien positive Signale erhalten.

Der Ökonom hatte die erste Gesprächsrunde am Samstag mit Treffen mit der rechten Lega von Matteo Salvini und der bisher mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung abgeschlossen. Er gab danach keine öffentliche Erklärung ab. Am Montag will Draghi eine zweite Konsultationsrunde starten. Dem Plan nach beginnt er erneut mit vielen kleineren Parteien im Parlament. Am Dienstagabend soll diese Runde enden.

Staatspräsident Sergio Mattarella (79) hatte dem Ex-Bankmanager nach dem Scheitern der Regierung Conte am Mittwoch ein Mandat zur Bildung eines neuen Kabinetts angeboten. Draghi, der in Rom kein politisches Amt besitzt, nahm den Auftrag unter Vorbehalt an. Mitte Januar war das Mitte-Links-Bündnis Contes im Streit über gut 200 Milliarden Euro an EU-Hilfsgeldern für die Corona-Krise auseinandergebrochen.

Draghi benötigt das Vertrauen beider Parlamentskammern, um Ministerpräsident zu werden. Italienische Medien gingen am Wochenende davon aus, dass sich der 73-Jährige vor einer endgültigen Entscheidung weiter absichern wollte und noch Zeit für die Auswahl der Minister benötigte.

"Das Land braucht so schnell wie möglich eine Regierung, um die notwendigen Massnahmen zur Bewältigung der Situation zu ergreifen", hatte der Spitzenmann der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Vito Crimi, nach seinem Treffen gesagt. "Wenn eine neue Regierung kommt, werden wir loyal sein." Seine Bewegung war bei der Wahl 2018 zur stärksten Kraft im Parlament geworden. Sie gilt jedoch intern als zerstritten. Für das Treffen mit Draghi war der Gründer, Komiker Beppe Grillo, nach Rom gereist. Er ist in der Hauptstadt selten präsent.

Unterstützung von Lega-Chef Salvini

Lega-Chef Salvini (47) kündigte am Samstag eine Unterstützung Draghis "ohne Bedingungen" an. Auch eine Beteiligung seiner Partei mit Ministern hielt er für möglich.

Diese Aussagen zu einem politisch sehr breiten Bündnis Draghis, das auch Salvinis Lega einschiessen könnte, stiessen bei einigen Sozialdemokraten (PD) sofort auf Widerstand. Eigentlich hatte die bisherige Regierungspartei PD Draghi ihre Unterstützung zugesagt.

In der Umfrage für die "Repubblica", die am Freitag abgeschlossen wurde, gaben 71 Prozent der Befragten Draghi gute Sympathiewerte. Im Oktober hatte sein Wert bei 54 Prozent gelegen. Er war schon länger als möglicher Chef einer "Expertenregierung" im Gespräch gewesen. Conte (56), dessen Mitte-Links-Bündnis seit 2019 an der Macht war, kam aktuell auf 65 Prozent Zustimmung. Der Chef von Italia Viva, Matteo Renzi (46), der die Koalition gesprengt hatte, lag mit 17 Prozent weit hinten.

(AWP)