"Die Turbinen, die man braucht, um das Gas überhaupt in die Pipeline zu bringen, kommen von Siemens und müssen regelmäßig gewartet werden", sagte er dem Magazin "Stern" und den Sendern RTL/ntv in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview. "Aber Siemens hat die gerade viel debattierte Turbine aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht."

Dass gegenwärtig nur ein Fünftel der normalen Gasmenge durch die Pipeline fließen - pro Tag 30 Millionen Kubikmeter - sei technisch bedingt, erklärte Schröder weiter. "Es wären schon 60 Millionen, also doppelt so viel, wenn nur Turbine Nummer 2 verfügbar wäre. Das liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe." Die Turbine befand sich Stand Dienstagabend in Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz sollte sie im Laufe des Mittwochs bei Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr besichtigen. Der Industrie-Konzern hat wiederholt die russische Darstellung zurückgewiesen, für Verzögerungen verantwortlich zu sein.

Eine politische Motivation für die gedrosselten Lieferungen ist nach Schröders Darstellung nicht zu erkennen. Bei Gesprächen mit Verantwortlichen für die Energiewirtschaft in Moskau habe er erfahren: "Es gibt keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln." Schröder berichtete zudem von einem weiteren Gespräch vorige Woche mit Präsident Wladimir Putin. "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung", erklärte er und verwies etwa auf die Rolle der Türkei bei dem jüngsten Getreideabkommen. "Vielleicht kann man das langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen." Er halte den Krieg für einen Fehler der Regierung in Moskau, sagte Schröder. Auf die Frage, ob Putin seinen Fehler einsehe, erklärte er: "Es gibt in Russland wirkliche Einkreisungsängste, die aus der Geschichte gespeist sind. Und die haben ja leider auch ihre Berechtigung."

Schröder saß zum Zeitpunkt der russischen Invasion in Führungsgremien der Gaspipeline-Betreiberfirma Nord Stream und des russischen Energiekonzerns Rosneft. Im April erklärte er in einem Interview der "New York Times", Russland werde den Gashahn nicht zudrehen. Wenn dies doch geschehe, werde er zurücktreten, kündigte er an, ohne das genaue Amt zu nennen. Im Mai gab Schröder dann seinen Posten im Rosneft-Aufsichtsrat auf und lehnte später die Nominierung für einen Sitz im Aufsichtsrat des russischen Gasriesen Gazprom ab. Zuletzt warf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Altkanzler vor, Deutschland mit seinen russischen Aktivitäten geschadet zu haben.

(Reuters)