In den Lokalen gaben bis 14.00 Uhr rund 36,5 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab, wie Bundeswahlleiter Georg Thiel am Sonntag bekanntgab. Vor vier Jahren waren es zwar mit über 41 Prozent noch mehr. Allerdings erwartet die Bundeswahlleitung unter anderem wegen der Corona-Krise einen Anteil von Briefwählern von über 40 Prozent. Somit würde die Wahlbeteiligung von 2017 mit 76,2 Prozent noch übertroffen. Diese lag bereits höher als in den beiden Bundestagswahlen zuvor.

Die rund 60,4 Millionen Wahlberechtigten haben noch bis 18.00 Uhr (MESZ) Zeit, ihre Stimme abzugeben. Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet sorgte bei seiner Stimmabgabe für Aufsehen, da er den Stimmzettel so faltete und in die Urne warf, dass sein Votum für die CDU sichtbar war. Eigentlich hätte laut Bundeswahlleiter der Zettel ausgetauscht werden müssen. Da er aber in die Wahlurne gelangte, könne er nicht mehr gewechselt werden und sei dennoch gültig. Eine Wahlbeeinflussung habe es mit dem sichtbaren Votum für seine Partei nicht gegeben.

In Berlin, wo gleichzeitig die Wahl zum Abgeordnetenhaus stattfindet, gab es laut Wahlleitung Schwierigkeiten mit vertauschten Wahlzetteln zwischen den Bezirken. Dies sorgte in einigen Bezirken für längere Wartezeiten für die Wähler.

Knappes Rennen zwischen Union und SPD erwartet

Mit ersten Prognosen ist kurz nach Schliessung der Wahllokale zu rechnen. Das Rennen ist völlig offen. Letzten Umfragen zufolge behauptete die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz ihre knappe Führung vor der Union mit CDU-Chef Armin Laschet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trat nach 16 Jahren im Amt nicht zur Wiederwahl an. Es wird mit schwierigen Koalitionsverhandlungen gerechnet, diverse Bündnisse sind möglich.

Bei der letzten Abstimmung vor vier Jahren erhielten CDU/CSU 32,9 Prozent der Stimmen und holten 246 der insgesamt 709 Sitze im Deutschen Bundestag. Sie ging eine grosse Koalition mit der SPD ein, die auf 20,5 Prozent (153 Sitze) kam. Die Grünen erhielten 8,9 Prozent (67 Sitze), die FDP 10,7 Prozent (80 Sitze) und die Linke 9,2 Prozent (69 Sitze). Die AfD zog erstmals in den Bundestag ein und wurde mit 12,6 Prozent (94 Sitze) grösste Oppositionspartei.

Zudem wählen die Bürgerinnen und Bürger in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern ein neues Abgeordnetenhaus beziehungsweise einen neuen Landtag. In beiden Bundesländern liegt die SPD letzten Umfragen zufolge vorn. In Mecklenburg-Vorpommern kann sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig Hoffnung machen, deutliche Zugewinne einzufahren und weiter regieren zu können. Die SPD bildet derzeit mit der CDU eine Koalition. Ob die Grünen und die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nehmen und in den Landtag in Schwerin einziehen können, ist offen. Im letzten Landtag waren sie nicht vertreten.

Die SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Franziska Giffey könnte auch in Berlin stärkste Kraft werden. In der Hauptstadt regiert derzeit ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken. Umfragen zufolge könnte diese Dreierkoalition ihre Arbeit fortführen, es sind aber auch andere Bündnisse möglich.

In Berlin findet zudem eine Volksabstimmung über die Enteignung von Wohnungsbeständen grosser Immobilienkonzerne statt. Das Ergebnis ist für den Senat allerdings rechtlich nicht bindend.

(Reuters)