In der Lombardei sind die Wähler am Sonntag zu einem Referendum aufgerufen: Allerdings geht es nicht um eine Abspaltung, sondern um mehr Autonomie. "Wir sind nicht Katalonien", sagt Regionalpräsident Roberto Maroni. "Wir verbleiben innerhalb der italienischen Nation mit mehr Autonomie, während Katalonien 29. Mitgliedstaat der EU werden will. Wir nicht. Jedenfalls nicht jetzt."

Allerdings gibt es Parallelen zwischen den beiden Regionen: Sowohl Katalonien als auch die Lombardei sind industrielle Motoren ihrer Länder und tragen viel zum Bruttoninlandsprodukt bei. Maroni beklagt sich, dass die Lombardei mit ihrem Finanzzentrum Mailand jährlich rund 54 Milliarden Euro mehr Steuern nach Rom überweist als sie von der Zentralregierung zurückbekommt. Der Präsident sähe die Summe gern halbiert.

Zurzeit buhlen Katalonien und die Lombardei um eine EU-Behörde, die infolge einer weiteren schmerzhaften Trennung in Europa ihre Zelte in Großbritannien abbricht. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA sucht nach dem Brexit eine neue Heimat. Das Rennen ist offen: Neben Barcelona und Mailand sind weitere Städte im Gespräch.

Maroni ist Funktionär der Regionalpartei Lega Nord, die sich in den 90er Jahren für den unabhängigen Staat Padanien im Norden des Landes starkmachte. Die Loslösungsbestrebungen sind inzwischen Vergangenheit. Geblieben ist die Forderung nach mehr Autonomie, wozu neue Finanzvereinbarungen mit der Zentralregierung gehören.

Italienische Verfassung lässt Autonomie-Referendum zu

Ein Ja-Votum wäre für die Regierung in Rom nicht verbindlich, würde Maroni aber ein stärkeres Verhandlungsmandat verschaffen. "Es liegt auf der Hand - je mehr Verhandlungsmacht ich habe, desto mehr Geld kann ich nach Hause bringen."

Die zusätzlichen Mittel sollen etwa in Forschung, Start-ups und Familienbetriebe fließen. Außerdem könnten damit Steuererleichterungen ausgeglichen werden, um Investitionsanreize für größere Unternehmen zu schaffen. Diese könnten mit Versprechen in die Region gelockt werden: "Ihr wisst, wenn Ihr nach Mailand kommt, müsst Ihr zwei oder drei Jahre keine Steuern zahlen", möchte Maroni ihnen gern sagen.

Die italienische Regierung hat klargemacht, dass sie das Referendum für unnötig erachtet, auch wenn es laut italienischer Verfassung erlaubt ist. Sie sieht vor, dass sich die Regionen mehr Selbstbestimmung aushandeln können.

Selbst wenn eine Mehrheit am Sonntag mit "Ja" stimmt, würde Experten zufolge ein rascher und dramatischer Wandel in der Lombardei ausbleiben. Möglicherweise werde sich die Region einige zusätzliche Rechte und ein bis zwei Milliarden Euro sichern, vermutet der Föderalismus-Experte von der Turiner Universität, Luca Ricolfi. Dies dürfte für die Regionalregierung bereits als Sieg gewertet werden. Allerdings gäbe es auch Schattenseiten: Die Spannungen zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden dürften sich verschärfen.

(Reuters)