Die Kanzlerschaft des 35-Jährigen Regierungschefs steht auf der Kippe. Die Justiz geht dem Verdacht der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit nach. Der grüne Koalitionspartner spricht Kurz die Amtsfähigkeit ab, hat sich aber noch nicht festgelegt, wie es weitergeht.

Die Opposition - Sozialdemokraten (SPÖ), rechtspopulistische FPÖ und liberale Neos - fordert den Rücktritt des Kanzlers und will ein Misstrauensvotum gegen ihn einbringen. Um den Kanzler zu stürzen, braucht es die Grünen.

Die Tonart des Juniorpartners in Richtung Kanzlerpartei hat sich zuletzt verschärft. Wie das Land weiterregiert werden könnte, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:

Fortsetzung der konservativ-grünen Koalition

Die ÖVP will die Zusammenarbeit mit den Grünen fortführen. "Wir stehen zur Regierung und zum Regierungsprogramm", sagte Kurz. Man habe in den vergangenen eineinhalb Jahren gut zusammengearbeitet, die schwierige Phase der Pandemie gemeistert und zuletzt eine Steuerreform auf den Weg gebracht.

Die Grünen wollen aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, dafür wiegen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit zu schwer.

Sie sprechen Kurz die Amtsfähigkeit ab. Eine Fortsetzung der Koalition mit Kurz als Regierungschef scheint damit vom Tisch zu sein. Die ÖVP hingegen hat bereits klar gemacht, hinter ihrem Parteiobmann zu stehen.

Um das Bündnis doch noch fortzuführen, müsste einer der beiden Partner nachgeben, was derzeit unwahrscheinlich scheint.

Regierung ohne ÖVP oder Beamtenregierung

Um Kurz mittels Misstrauensvotum abzusetzen, braucht es neben der Opposition zumindest sechs Stimmen der Grünen im Parlament, das sich in Österreich Nationalrat nennt. Wenn sich die erforderliche Mehrheit findet, muss Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kurz seines Amtes entheben.

Der Nationalrat könnte aber auch die gesamte Regierung per Misstrauensvotum abwählen. Das Staatsoberhaupt könnte dann einen neuen Kanzler bestimmen und mit ihm einem neue Regierung formen.

Möglich wäre eine Regierung von SPÖ, Grüne, FPÖ und Neos unter Ausschluss der ÖVP. Ob eine solche Konstellation politisch handlungsfähig ist, ist angesichts der inhaltlichen Diskrepanzen fraglich.

Die FPÖ nimmt etwa beim Thema Corona eine gänzlich konträre Haltung zu den anderen Parteien ein. FPÖ-Chef Herbert Kickl gilt als Impfskeptiker und bezeichnet die Maskenpflicht als "Schikane".

Eine andere Möglichkeit ist, dass die FPÖ eine Minderheitsregierung aus SPÖ, Grünen und Neos vorübergehend dulded. Dies gilt ebenfalls als unwahrscheinlich. Eine dritte Variante wäre die Bildung einer Experten- oder Beamtenregierung.

Das hat es auch 2019 nach dem Scheitern der Koalition aus ÖVP und FPÖ infolge des sogenannten Ibiza-Skandals gegeben. Da die Mitglieder einer solchen Regierung aber keiner Partei angehören, fehlt ihnen im Parlament der nötige Rückhalt und sie wären vom freien Spiel der Kräfte abhängig. Größere Projekte wären damit schwierig umzusetzen.

Neuwahlen

Neuwahlen will derzeit eigentlich keine Partei. Es wären die dritten Parlamentswahlen innerhalb von vier Jahren. Ob eine der oben genannten Optionen bis zum Ende der Legislaturperiode bis Ende 2024 hält, ist allerdings ebenfalls fraglich.

Jüngsten Umfragen zufolge, die jedoch von Mitte September sind und damit nicht die Ermittlungen gegen Kurz berücksichtigen, liegt die ÖVP haushoch in Führung. Laut einer OGM-Umfrage für die Tageszeitung "Kurier" kommt die Volkspartei auf 34 Prozent, die SPÖ erreicht 24 Prozent, die rechtspopulistische FPÖ 18 Prozent, die Grünen kommen auf zwölf Prozent und die liberalen Neos elf Prozent.

Sollte die ÖVP einen Antrag auf Neuwahlen einbringen, müsste zumindest eine der anderen Parteien zustimmen. 

(Reuters)