Das kündigte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Freitag nach Abschluss der Sondierungsgespräche zusammen mit den Chefs der drei Parteien an. In einem zwölfseitigen Papier hatten sich die Sondierer zuvor unter anderem auf die Absage an Erhöhungen der Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer oder der Aufweichung der Schuldenbremse sowie auf Einführung von "Superabschreibungen für Klimaschutz-Investitionen" geeinigt. Es "besteht der fiskalische Spielraum für das, was notwendig ist", sagte Scholz auf die Frage der Finanzierbarkeit der von allen drei Parteien betonten notwendigen Investitionen. Dazu sollen auch "überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben" überprüft werden, heisst es in dem Papier. Beschlossen wurde unter anderem auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Zielmarke von 400'000 neuen Wohnungen pro Jahr.

Scholz sagte, dass eine neue Bundesregierung vor Weihnachten gebildet werden sollte. Vertreter aller drei Parteien hätten deutlich gemacht, dass die Gespräche bis dahin abgeschlossen sein sollten, sagte er. Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, FDP-Chef Christian Lindner sowie die Grünen-Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck schlugen ihren Parteien übereinstimmend den Einstieg in Koalitionsgespräche vor. Diese dürften kommende Woche beginnen. Die Grünen wollen am Sonntag ein Votum des Länderrates für Koalitionsgespräche einholen. Bei der SPD muss der Parteivorstand und bei der FDP sollen am Montag die Gremien grünes Licht geben.

Gegenseitige Zumutungen und Vertrauen

"Es ist völlig klar, dass es Zumutungen gibt", sagte Grünen-Co-Chef Habeck nach den Gesprächen mit Blick auf die gegenseitigen Kompromisse der Ampel-Parteien. So habe man auf die von der FDP abgelehnten Belastungen durch Steuererhöhungen verzichtet und trotzdem genug Investitionsspielraum geschaffen. Der hohe Finanzbedarf etwa für Klimainvestitionen war einer der grossen Streitpunkte im Wahlkampf gewesen, in dem SPD und Grüne für höhere Steuern für Gutverdienende plädiert hatten. Die FDP hatte sie abgelehnt. "Es geht nicht um eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners", sagte Habeck.

"Wir sind überzeugt nach den Gesprächen, dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren", sagte FDP-Chef Lindner. Er sprach von einem völlig neuen Stil und der Möglichkeit zu einer Erneuerung des Landes. "Allein dieser Stil markiert schon eine Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands", fügte er hinzu. Auch Scholz lobte die "wohltuend" sachlichen Verhandlungen der drei Parteispitzen. Habeck sprach von einem "Glutkern der gesellschaftlichen Modernisierung", SPD-Ko-Chef Walter-Borjans von dem Respekt der drei Parteien füreinander.

Keine Rentenkürzung

Auch wenn alle Parteispitzen betonten, dass es sich bei dem Sondierungspapier noch nicht um eine Koalitionsvereinbarung handelt, gibt es weitreichende Festlegung. "Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben", heisst es in dem Dokument. Um die Rente langfristig abzusichern, soll es eine "teilweise Kapitaldeckung" geben. "Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen." Anstelle von Hartz IV soll ein Bürgergeld eingeführt werden. Das Wahlalter bei Bundestags- und Europawahlen soll auf 16 Jahre abgesenkt werden. Zudem wird ein schnellerer Ausstieg aus der Kohleverstromung angestrebt. "Idealerweise gelingt das schon bis 2030", heisst es im Sondierungspapier. Noch im Jahr 2022 soll es ein Klimaschutz-Sofortprogramm geben. Die Forschungsausgaben sollen auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht werden.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der zu den zehn Grünen-Sondierern gehörte, lobte Baerbock und Habeck. "Ich kann nur sagen über meine beiden Vorsitzenden: Lob, Preis und Ehre, sie haben gut verhandelt", sagte er nach den Beratungen.

Laut ZDF-Politbarometer treffen die Pläne zur Bildung einer Ampel-Koalition auf Zustimmung der Bevölkerung. 62 Prozent der Befragten fänden eine Regierung aus SPD, Grünen und FDP danach gut. Eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP wird dagegen ebenso mehrheitlich abgelehnt wie eine erneute grosse Koalition aus SPD und Union. Unterstützung gibt es in der Umfrage auch für einen Kanzler Olaf Scholz. Dreiviertel der Befragten fänden es gut, wenn der SPD-Politiker Kanzler würde.

(Reuters)