Die Erhöhung von "fast Null" für das nächste Jahr sei eine "sehr gute Neuigkeit", sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Dienstag vor den Medien in Bern. Sie zeige, dass man gegen die steigenden Gesundheitskosten etwas unternehmen könne.

Das sei allerdings noch nicht das Ende, die Arbeit sei noch nicht getan. Man müsse wachsam bleiben. Die Kosten würden wegen der demographischen und medizinisch-technologischen Entwicklung weiter steigen. "Wir müssen weiter kämpfen", sagte Berset. Alle Beteiligten im Gesundheitswesen müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, forderte der Gesundheitsminister.

Auch Heidi Hanselmann (SP), Direktorin der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), wertete den moderaten Anstieg für die Kantone als "sehr positiv", wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Dennoch gelte es, kostendämpfende Massnahmen weiterhin konsequent zu verfolgen und wirksam umzusetzen - auch wenn die Kassen noch über beträchtliche Reservepolster verfügten, die zugunsten der Prämienzahlenden abgebaut werden müssten.

Erneuten Prämienanstieg verhindern

Auch Krankenkassenverbände, Leistungserbringer und Konsumentenvertreter sind erfreut über den mässigen Anstieg - und fordern weitere Schritte. Ohne zusätzliche Massnahmen bleibe die aktuelle Prämienrunde nicht mehr als ein "kurzes Aufatmen", bevor die Kosten ungebremst weiterstiegen, meint etwa Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin des Konsumentenschutzes.

Im vergangenen August wurde bereits ein Massnahmenpaket vorgestellt, ein weiteres soll zu Beginn des nächsten Jahres folgen. "Nur wenn es gelingt, echte Reformen zu realisieren, können wir uns das Gesundheitswesen auch in Zukunft leisten", sagte Matthias Müller vom Krankenkassenverband Santésuisse.

Ralph Kreuzer, Mediensprecher beim Krankenkassenverband Curafutura, fordert den nächsten Schritt. "Jetzt müssen wir weitergehen mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, um das Momentum aufrecht zu erhalten." Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly warnte derweil vor falschen Erwartungen. Tendenziell würden überdurchschnittlich hohe Prämien gesenkt.

Spitäler und Ärzte: "Beitrag geleistet"

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt den moderaten Anstieg auf die Massnahmen zur Kostendämpfung zurück. So brachte die Revision des Ärztetarifs Tarmed Einsparungen von 500 Millionen Franken. Zudem habe durch das regelmässige Senken der Arzneimittelpreise seit 2012 rund eine Milliarde Franken eingespart werden können.

Die Leistungserbringer sind der Meinung, dass auch sie einen Beitrag an den geringen Prämienanstieg geleistet haben. Nach Ansicht des Spitalverbands H+ haben durch die Verlagerungen im Rahmen der Maxime 'ambulant vor stationär' "markant Kosten eingespart" werden können.

Aus Sicht des Ärzteverbands FMH beweist die Entwicklung, dass sich der häufig vorgebrachte Vorwurf der medizinischen Mengenausweitung nicht bewahrheite. Der Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse ist derweil überzeugt, dass die Apotheker den "Prämienschock" durch Einsparungen im Milliardenbereich bei kassenpflichtigen Medikamenten "abgemildert" hätten.

Stärkster Prämienanstieg in Neuenburg

Die Entwicklung der Prämien ist in den Kantonen sehr unterschiedlich. Mit einem Plus von im Schnitt 2,9 Prozent steigen die Prämien in Neuenburg am stärksten an. Die Kantonsregierung begründet dies in erster Linie mit demographischen Entwicklungen.

An zweiter Stelle folgt der Kanton Tessin, wo die mittlere Prämie um 2,5 Prozent ansteigt. Damit ist der Kanton 2020 der viertteuerste. Die Tessiner Regierung hält die Prämienerhöhung für inakzeptabel, da die Krankenversicherer schweizweit über genügend Reserven verfügten.

Auch in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und im Wallis wird die Bevölkerung mindestens 1,5 Prozent mehr bezahlen müssen. Auf der anderen Seite wird die Prämie in zehn Kantonen billiger (AG, BE, BS, LU, SH, SO, SZ, VD, ZG, ZH).

Dabei präsentiert sich die beste Situation mit einem Minus von 1,5 Prozent für die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Luzern. Gemäss des Luzerner Gesundheitsdirektors ist dies etwa darauf zurückzuführen, dass die Prämien 2019 "offenbar zu hoch berechnet" gewesen waren und nun knapper kalkuliert und nach unten korrigiert würden.

In den übrigen elf Kantonen liegt der Anstieg zwischen 0 und 1,5 Prozent. Basel-Stadt bleibt - hauchdünn vor Genf - der Kanton mit den höchsten Krankenkassenprämien.

Junge Erwachsene werden entlastet

Durchschnittlich wird eine Person im nächsten Jahr 315,40 Franken im Monat für die Prämie bezahlen müssen. Junge Erwachsene werden entlastet, sie bezahlen 2 Prozent weniger als im Vorjahr. Die durchschnittliche Monatsprämie für 19- bis 25-Jährige beläuft sich auf 265,30 Franken. Für Erwachsene steigt die Prämie im Schnitt um 0,3 Prozent auf 374,40 Franken. Bei den Prämien von Kindern ändert sich nichts.

Gegenüber dem Vorjahr, als die Erhöhung 1,1 Prozent betrug, ist der diesjährige Anstieg moderat. Die am Dienstag publizierten Zahlen unterscheiden sich leicht von jenen, welche das BAG im Vorjahr kommuniziert hatte. Dies ist gemäss einem BAG-Sprecher auf einen Systemwechsel zurückzuführen, der im Vorjahr umgesetzt wurde.

Seit Inkrafttreten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Jahr 1996 sind die Prämien jährlich um durchschnittlich 3,8 Prozent gestiegen.

(AWP)