Nach Regierungsangaben vom Samstag hatte Johnson "einige Kontakte" mit Kabinettsmitgliedern gehabt, es wurde aber nicht das Ausmass genannt. Er halte sich an die Anweisungen seines Arztes, hiess es.

Dass sich Johnson wieder so schnell in die Regierungsgeschäfte einmischt, soll mit zunehmender Kritik an der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu tun haben. Nach einem Bericht der "Sunday Times" war zu Beginn des Ausbruchs wochenlang der Ernst der Lage in Grossbritannien nicht erkannt worden. Man habe sich stattdessen zu sehr auf den Brexit konzentriert. Johnson fehlte der "Times" zufolge auch bei fünf wichtigen Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrats (Cobra) zur Pandemie. Staatsminister Michael Gove sagte dem Sender Sky News am Sonntag, die Vorwürfe seien "grotesk". Der Premier müsse nicht immer bei den Sitzungen dabei sein.

Der 55 Jahre alte Premier musste wegen seiner Lungenerkrankung Covid-19 auf der Intensivstation einer Londoner Klinik behandelt werden. Seit einigen Tagen erholt er sich nun auf dem Landsitz Chequers in der Nähe der Hauptstadt. An seiner Seite ist seine schwangere Verlobte Carrie Symonds. Die 32-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Coronavirus infiziert, aber nur leichte Symptome entwickelt.

In den britischen Kliniken werden Ausrüstungen zum Schutz gegen das Coronavirus bedrohlich knapp - auch die für Ärzte und Pfleger empfohlenen langärmeligen, flüssigkeitsabweisenden Einweg-Kittel auf vielen Intensivstationen. Daher haben die Behörden auch die Verwendung anderer Kittel erlaubt. Dies stiess am Wochenende auf heftige Kritik unter anderem von Gewerkschaften. Sie befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Ärzte und Pfleger. Ein Lichtblick: Aus der Türkei wurden 84 Tonnen Schutzausrüstungen in Grossbritannien erwartet - sie reichen Kritikern zufolge aber nur für drei Tage.

Im Vereinigten Königreich mangelt es auch an Klinikpersonal und Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten. Sauerstoff-Lieferungen für die Beatmung gehen Ärzten zufolge ebenfalls zurück. Bislang starben nach offiziellen Angaben vom Sonntag mehr als 16 000 Menschen in Kliniken. Die Statistiken zu Infizierten und Todesfällen sind wenig aussagekräftig, unter anderem weil in Grossbritannien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenige Tests vorgenommen worden sind. In den Statistiken zu Sterbefällen sind keine Toten in Pflegeheimen berücksichtigt. Deren Zahl soll in die Tausende gehen.

Experten befürchten, dass Grossbritannien mit Blick auf die Sterbequote das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte. Die Ausgangsbeschränkungen sind daher um drei Wochen bis zum 7. Mai verlängert worden./si/DP/zb

(AWP)