Benchmark-Renditen und Volatilitätskennzahlen befinden sich trotz einer Flut von Staatsanleihe-Emissionen aus Ländern von Frankreich bis Slowenien in der Nähe von Rekordtiefs. Das deutet darauf hin, dass die Anleger auch für die nächsten Jahre kaum Aussichten auf höhere Finanzierungskosten sehen. Bei langfristigen Papieren ist die Risikoprämie gegenüber den üblichen Durchschnittswerten eingebrochen, obwohl das Angebot an solchen Bonds stark zunimmt.

Diese Muster sind alles andere als normal und eine Folge des 1,85 Billionen Euro schweren Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank und der Bereitstellung von ultra-billigen Krediten, um dem wirtschaftlichen Schock der Pandemie entgegenzuwirken. Zwar haben diese Schritte die Märkte stabilisiert. Jedoch besteht die Sorge, dass sie die Anleger auch verführen, verstärkt riskantere Wetten einzugehen. Dies dürfte zur Entstehung von Vermögensblasen beitragen, die möglicherweise platzen, wenn die geldpolitischen Entscheidungsträger anfangen, die beispiellose Akkommodierung zurückzuschrauben.

"Die Märkte sind jetzt Geiseln der Zentralbank und die Zentralbank ist eine Geisel der Märkte", sagte Marc Ostwald, globaler Stratege bei ADM Investor Services. "Das Risiko besteht darin, dass die Zentralbanken irgendwann anfangen, über die Rücknahme der Stützungsmassnahmen zu sprechen, wodurch die gesamte Leverage und die verzerrte Positionierung aufgedeckt werden."

Die nachfolgenden vier Grafiken zeigen, dass es auf den europäischen Anleihemärkte möglicherweise zu ruhig zugeht.

Finanzielle Repression

Keine andere Region zeigt eine so starke Auswirkung der finanziellen Repression wie Europa, wo Massnahmen zur Aufrechterhaltung niedriger Kreditkosten den Sparern die Renditen entziehen.

Die Zins-Volatilität im Euroraum blieb zunehmend hinter dem US-Äquivalent zurück, wobei sich die Spanne zwischen dreimonatigen 10-Jahres-Swaptions in beiden Regionen seit Juli mehr als verdoppelt hat.

«Asymmetrisches» Verhalten

Die geringe Volatilität ermutigt die Anleger, in risikoreichere, höher rentierliche Anleihen zu investieren, was sich für italienische Papiere als besonders hilfreich erweist, die politischen Risiken ausgesetzt sind. Der Renditeaufschlag des Landes gegenüber Deutschland hat sich auch nach dem Zusammenbruch der Regierung von Premierminister Giuseppe Conte im Januar kaum verändert. Nachdem der frühere EZB-Präsident Mario Draghi zum neuen designierten Ministerpräsidenten ernannt wurde, erreichte sie am Mittwoch 102 Basispunkte. Sie fiel am Donnerstag unter 100 Basispunkte, den niedrigsten Stand seit fünf Jahren.

Die Stabilität italienischer Anleihen "angesichts des Zusammenbruchs der Regierung unterstreicht deutlich die Asymmetrie der Anlegerstimmung", schrieben Rabobank-Strategen um Richard McGuire in einer Notiz. "Zwar ignoriert dies auch eindeutig die anhaltende Verschlechterung der italienischen Schuldenkennzahlen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass bei allen Arten von Anlageklassen eher die finanzielle Repression als fundamentale Bedenken das Preisgeschehen bestimmen."

Nachfrage nach langlaufenden Papieren

Trotz eines Rekordvolumens von 140 Milliarden Euro an syndizierten Emissionen des öffentlichen Sektors im Januar ist der Aufschlag 30-jähriger Anleihen gegenüber fünfjährigen Papieren in den meisten grossen Euroraum-Volkwirtschaften geschrumpft. Die Länder verzeichnen eine überwältigende Nachfrage nach ihren langfristigen Schuldverschreibungen: Frankreich erhielt Rekordzeichnungen für eine 50-jährige Anleihe, während Sloweniens 60-jährige Offerte um das Achtfache überzeichnet war.

"Geringe Volatilität bei niedrigen Renditen bedeutet mehr Nachfrage nach langlaufenden Papieren, wie der Erfolg der 50-jährigen Syndizierung in Frankreich gezeigt hat", sagte Eric Oynoyan, ein Stratege bei BNP Paribas.

Der Schwenk in langlaufende Anleihen erfolgt vor dem Hintergrund, dass fast 17 Billionen Dollar an globalen Anleihen nun eine Rendite von weniger als Null aufweisen, was bedeutet, dass das Halten einer Anleihe bis zur Fälligkeit wahrscheinlich zu einem Verlust führt. Europa ist das Zentrum dieses Phänomens, der gesamte deutsche Markt befindet sich im negativen Bereich.

Mehr Risiken eingehen

Die überschüssigen Barbestände in der Wirtschaft des Euroraums stiegen am 22. Januar auf beispiellose 3,56 Billionen Euro, nachdem die EZB in den letzten Monaten ultra-billige Kredite vergeben hatte. Das hat die Finanzierungskosten nach unten getrieben, wobei der Benchmark-Dreimonats-Euribor-Satz im letzten Monat ein Allzeittief von minus 0,556 Prozent erreichte.

"Das aktuelle Umfeld ist eine Einladung an die Anleger, nach Carry zu streben und mehr Risiko einzugehen", sagte Christoph Rieger, Leiter Festzinsstrategie bei der Commerzbank. "Dies gilt insbesondere für den Euro-Raum, wo die Refinanzierungssätze stark negativ sind, während die EZB über ihre implizite Steuerung der Renditekurve das Niveau am langen Ende und die Spreads schützt. Gleichzeitig sammelt sich jedoch immer mehr Überschussliquidität an, was die Risikoaktiva trotz der ungelösten Virusrisiken stützt."

Anleger erwarten selbst auf längere Sicht nur wenig Änderung bei den Zinsen, wie die Preisbildung auf dem Swaptions-Markt signalisiert. Und ein derartig extremer Ausblick könnte sie verwundbar machen, sollten die Märkte drehen, erklärt Ostwald von ADM.

"Die Situation könnte sich rasch ändern", sagte er. "Die Positionierung ist insgesamt gehebelt. Sollte sich die Volatilität bescheiden, aber nachhaltig erhöhen, werden die Modelle eine Umkehrung der Leverage erfordern."

(Bloomberg)