Über das Gesprächsprotokoll berichtete der "Tages-Anzeiger" am Dienstag. Es lag am Morgen auch der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor. Stéphanie Riso, die Vertreterin der EU-Kommission und Kabinettschefin bei von der Leyen, sagte demnach am Freitag vor den Botschaftern der EU-Länder, das Treffen könnte neue Impulse bringen und warnte gleichzeitig vor hohen Erwartungen. Es gehe auch darum herauszufinden, ob die Schweiz überhaupt noch auf einen Abschluss hinarbeite.

Die Kommission habe zwar ein besseres Verständnis für die Kritikpunkte der Schweiz entwickelt, sehe aber trotz Angeboten der EU kein Entgegenkommen. Die Schweiz betrachte das verhandelte Abkommen von 2018 nunmehr nur noch als Angebot der EU. Das ausgehandelte Abkommen gehe aber bereits auf die Bedenken der Schweiz ein.

Konsequenzen angedroht

Das Land habe sich indessen grundsätzlich vom Text distanziert und wolle materielle Änderungen. Ansätze zu wirklichen Lösungen fehlten bisher. Der Prozess sei schwerfällig. Die EU müsse der Schweiz deshalb mit dem Auslaufen der bilateralen Verträge die Konsequenzen deutlich machen.

An dem Präsidententreffen könnten idealerweise neue Impulse gegeben werden. Deutschland und Frankreich forderten Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Die Kommissionsvertreterin sagte, es gebe keinen Alternativplan.

Polen, Rumänien und die Slowakei mahnten ihrer Ansicht nach ausstehende Kohäsionzahlungen an. Die Kommissionsvertreterin sagte, von der Leyen werde auch das ansprechen.

Ausnahmen gibt es nicht

Bei den drei Themen, für welche die Schweiz Klärungsbedarf angemeldet hatte, hielt Riso fest, die schwierigsten Punkte seien die Arbeitnehmerentsendung und die Personenfreizügigkeit. Bei der Entsendung sei nicht ganz klar, was die Schweiz wolle, etwa eine vollständige Ausnahme von einer Regelung des Bereichs.

In jedem Fall wolle sich die Schweiz hier der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs entziehen. Das widerspreche aber dem ausgehandelten Rahmenabkommen, welches den Gerichtshof als finale Entscheidungsinstanz vorsehe.

Bei der Personenfreizügigkeit - gemeint ist die Unionsbürgerrichtlinie mit dem Zugang zum Sozialsystem - habe die Schweiz signalisiert, sieben Punkte nicht zu akzeptieren. Dabei geht es gemäss dem Protokoll etwa um den dauerhaften Aufenthalt, die dreimonatige bedingungslose Aufenthaltsbewilligung oder den Zugang zur Sozialversicherung.

Damit gehe die Schweiz über die ursprünglich angefragten Klarstellungen hinaus. Die EU könne Ausnahmen - sogenannte Immunisierungen - nicht akzeptieren. Zudem sehe die Schweiz die dynamische Übernahme von EU-Recht und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs als problematisch an. Das sei aber der Kern des Rahmenabkommens, erklärte Riso.

(AWP)