Die USA wollen den grossen Steueroptimierern an den Kragen. Schon seit Jahren wird über eine globale Steuerreform diskutiert, mit dem Ziel, dass die konzerninterne Verschiebung von Gewinnen in Steuerparadiese sich nicht mehr lohnt.

Jetzt kündigte Finanzministerin Janet Yellen an, eine globale Mindeststeuer von 21 Prozent anzustreben. Denn die Biden-Regierung will dem internationalen Wettlauf immer niedrigerer Steuersätze ein Ende bereiten.

Das sei eine "überraschende Trendwende, die politisch und ökonomisch motiviert ist", sagt Steuerexperte Rolf Röllin von PwCSchweiz. Die Corona-Pandemie habe dabei wie ein Katalysator gewirkt. 

Ueli Maurer: «Für Diskussionen offen»

Nicht nur in den karibischen Steuerparadiesen stösst das Thema auf Ablehnung, sondern auch in einigen europäischen Ländern, die ausländische Unternehmen jahrelang mit niedrigen Steuern anlockten.

Wie auch die Schweiz.  Das zuständige Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) verweist derweil auf ältere Stellungnahmen: Eine verbindliche Mindestbesteuerung sei "innovations- und wachstumshemmend". Sollte es dennoch dazu kommen, müsse sie "moderat" sein.

Zu Janet Yellens Vorstoss äussert sich Bern derweilen diplomatisch: Bundesrat Ueli Maurer bemerkte nach der virtuellen Jahrestagung von IWF und Weltbank am Donnerstagabend, über die Höhe einer weltweiten Unternehmenssteuer habe man sich noch nicht geeinigt. Für weitere Diskussionen sei die Schweiz offen.

Moderat wäre wohl eine Mindeststeuer zwischen 12,5 und 14 Prozent – damit könnte die Schweiz nach Ansicht von Experten noch leben. Doch: "Der amerikanische Vorschlag von 21 Prozent ist ein Hammer. Damit wäre der Steuerwettbewerb in der Schweiz tot", sagt Peter Hongler, Professor für Steuerrecht an der Universität St. Gallen (HSG).

Über globale Mindeststeuern wird seit längerem diskutiert. Doch die 21-Prozent-Idee aus Washington liegt weit über dem, was bislang innerhalb der OECD angestrebt wurde: Dort war eher von 15 Prozent die Rede, als niedrigster denkbarer Steuersatz gar von 12,5 Prozent – wie in Irland. Alles darunter gälte als Steueroase.

Machtspiel der Grossen

Damit könnte die Schweiz einigermassen umgehen, denn heute liegen die Unternehmenssteuern landesweit durchschnittlich bei 15 Prozent. Also wäre auch keine Prangergefahr und keine Abwanderung grosser Konzerne zu befürchten. 

Wenn aber grosse Länder wie Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, China und Indien die USA unterstützen, könnte die 21-Prozent-Steuer tatsächlich durchkommen. Schätzungen zufolge würden vor allem die grossen Wirtschaftsmächte von einer allgemeinen Anhebung des Steuerniveaus profitieren. Die OECD selbst rechnet mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 100 Milliarden Dollar.

Zusätzliche Steuereinnahmen in der Schweiz

Dabei haben die USA selbst nicht viel zu verlieren, erklärt Steuerexperte Peter Hongler. Die Gewinnsteuern aus dem Ausland machen nur einen geringen Teil der gesamten US-Steuereinnahmen aus. "Die USA können recht aggressiv am internationalen Steuersystem schrauben, auf die eigenen Steuereinnahmen wirkt sich das kaum aus. In der Schweiz ist es genau umgekehrt, da der Anteil der Gewinnsteuern aus dem Auslandgeschäft viel grösser ist." 

Auf den ersten Blick könnten die internationalen Regeln der Schweizzusätzliche Steuereinnahmen bringen, doch so einfach ist es nicht.

"Wenn die Schweiz nicht mitmacht, wird sie fiskalisch nicht von dieser Mindeststeuer profitieren, muss aber langfristig befürchten, dass internationale Unternehmen abwandern", sagt Hongler.

Die Mindeststeuer muss ein ausländisches Unternehmen nämlich so oder so zahlen – einfach in dem Land, in dem die Muttergesellschaft sitzt. Ein US-Unternehmen zum Beispiel, dessen Schweizer Tochtergesellschaft hierzulande 12 Prozent Steuern zahlt, müsste die Differenz von 9 Prozent an den amerikanischen Fiskus zahlen.

Ob sich ein Sitz in der Schweiz mit seinen hohen Lohnkosten noch lohnt – das wird sich dann wohl so mancher ausländische Konzerne fragen.

Die Schweiz hat nur eine Option

Den OECD-Regeln fern zu bleiben, ist daher keine Option. Wie es laufen könnte, zeigt die Vergangenheit: 2009 einigten sich die G7 auf den Informationsaustausch in Steuersachen. Wer nicht mitmachte, kam auf eine schwarze Liste. Für die Schweiz bedeutete es das Ende des Bankgeheimnisses.

Und so bleibt der Schweiz wohl nur übrig, sich in die laufenden Diskussionen einzubringen und die Regeln mitzugestalten. Formell ist das Land zwar in den Verhandlungen dabei, doch "dieser Prozess ist nicht inklusiv, das heisst kleine Staaten können nicht auf Augenhöhe mitverhandeln", merkt HSG-Professor Hongler kritisch an.

Allenfalls könnte die Schweiz ihre Steuersätze auf das Niveau der Mindeststeuer erhöhen, dann würde der Staat immerhin mehr Steuern einnehmen, statt sie ans Ausland zu verlieren. Darüber werde derzeit diskutiert, weiss Rolf Röllin, Director Corporate Tax bei PwCSchweiz. "Mit einer globalen Mindeststeuer im Rahmen von 12,5 bis 14 Prozent könnte die Schweiz wohl leben".

Durchbruch im Sommer

Nun kommt es darauf an, wie sich die grossen Staaten positionieren. Deutschland und Frankreich haben bereits signalisiert, den US-Vorschlag zu unterstützen. Bei einem virtuellen Treffen der G20-Finanzminister am Mittwoch zeigten sich der deutsche und französische Finanzminister zuversichtlich, im Sommer einer Einigung zu erzielen.

Ein Durchbruch scheint also absehbar: Anfang Juli ist das nächste Treffen der G20-Finanzminister geplant, der G20-Gipfel Ende Oktober in Rom. 

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Damit wäre der Steuerwettbewerb in der Schweiz tot"