Italiens Präsident Sergio Mattarella setzt auf den früheren EZB-Chef Mario Draghi zur Lösung der Regierungskrise. Mattarella bestellte Draghi für Mittwochmittag (12.00 Uhr MEZ) zu Gesprächen ein, wie das Präsidialamt in Rom am Dienstagabend mitteilte. "Meine Pflicht ist es, an alle politischen Parteien zu appellieren, eine starke Regierung zu unterstützen", sagte der Staatspräsident. Eine Neuwahl schloss er aus. Angesichts der Corona- und der Wirtschaftskrise sei dies unklug.

Von Draghi gab es zunächst keine Reaktion. Seit er sein Amt als Präsident der Europäischen Zentralbank im Oktober 2019 aufgegeben hat, hat er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zuletzt wurde er aber als Ministerpräsident und Nachfolger von Giuseppe Conte immer wieder ins Gespräch gebracht. Ihm wird angerechnet, den Euro 2012 gerettet zu haben. Damals hatte er auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise erklärt, die EZB werde alles tun, was nötig ist ("whatever it takes").

Unklar war zunächst, auf welche Parteien Draghi setzen könnte. Die Anti-Establishment-Bewegung 5 Sterne werde ihn nicht unterstützen, sagte ein hochrangiger Parteivertreter.

Zuvor waren Bemühungen um eine neue Regierung in Italien mit den bisherigen Koalitionspartnern gescheitert. Bislang hatte sich der parteilose Conte auf eine Koalition der 5-Sterne-Bewegung, der sozialdemokratischen PD und mehreren kleinen Parteien, darunter Italia Viva des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi gestützt. Renzi ließ die Koalition allerdings platzen. Er hatte Contes Politik im Kampf gegen die Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen scharf attackiert. So warf er Conte vor, die riesigen EU-Finanzhilfen für Almosen zu verschwenden statt sie für langfristige Investitionen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund war eine Versöhnung fraglich.

Sollte es keine parteiübergreifende Zustimmung für eine neue Regierung geben, müsste Präsident Mattarella spätestens für Juni eine Neuwahl ansetzen, zwei Jahre früher als eigentlich geplant. Mattarella sprach sich jedoch dagegen aus. Er sehe nicht, wie diese in der Corona-Pandemie abgehalten werden könne.

Italien ist von der Virus-Pandemie besonders schwer getroffen worden und hat mit massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch die Wirtschaft gebremst. 2020 brach die Konjunktur in der nach Deutschland und Frankreich drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone um 8,8 Prozent ein und damit so stark wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. 

(Reuters)