Donald Trump hat es wieder einmal getan: Ein Tweet des US-Präsidenten reichte, um die zuletzt rekordfreudigen Märkte in einen panikartigen Verkaufsmodus zu stürzen. Bis Ende Woche sollen Zölle auf China-Waren massiv erhöht werden. Die Kurse fallen rund um den Globus.

Der Handelsstreit zwischen den beiden grössten Wirtschaftsmächten ist derzeit einer der grössten Unsicherheitsfaktoren für die Weltwirtschaft, die Finanzmärkte und die Performance von Aktien. Die heute sowieso schon hoch stehenden Aktienindices würden aber besonders unter Druck kommen, wenn mehrere Unsicherheitsfaktoren zusammenkommen. Dies würde die Ängste am Markt multiplizieren.

Welche Risiken also bestehen für die Aktienmärkte und wie wahrscheinlich ist es, dass sie eintreten?

Zinspolitik der Fed

Die Erwartung an die Notenbank der USA ist, dass sie die Zinsen entweder nicht mehr weiter erhöht oder gar noch dieses Jahr senkt. Einer Statistik der US-Terminbörse CME zufolge beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung 66 Prozent. Angeheizt werden Zinssenkungsspekulationen auch durch die US-Inflation, die mit 1,6 Prozent im Moment klar unter dem 2-Prozent-Ziel der Fed gemessen wird.

Mehr zum Thema von Anlageexperte Ken Fisher: Keine Angst vor sinkenden Aktienkursen

In der allgemeinen Nervosität, mit der die Politik der Fed sowieso schon beobachtet wird, ist ein Faktor dazugekommen: Präsident Trump kritisiert die Fed seit einiger Zeit scharf. Er wünscht sich möglichst tiefe Zinsen, die das Wachstum ankurbeln sollen. Der Druck auf die US-Notenbank kommt von den Finanzmärkten und der Politik. Trotz ihrer Unabhängigkeit ist nicht auszuschliessen, dass sich die Fed indirekt beeinflussen lässt. 

 

 

Vergangene Woche beliess die Fed den Leitzzins bei 2,5 Prozent. Die Augen richten sich auf weitere Zinsentscheide. Mögliche Zeitpunkte für Fed-Leitzinsveränderungen nach den jeweils zweitägigen Sitzungen des Offenmarktausschusses (FOMC) sind am 19. Juni, 31. Juli, 18. September, 30. Oktober und dann wiederum am 11. Dezember.

Bedeutung: Hoch. Die Geldpolitik der Fed beeinflusst die Aktienmärkte weiterhin stark. Im Spannungsfeld von politischem Druck und hochgeschraubten Erwartungen der Märkte schlagen die kleinsten Hinweise und Deutungen zum Fed-Kurs schnell auf den Aktienhandel durch.

Einschätzung des cash-Insiders: Viele Aktienkurse werden Ende Jahr tiefer stehen

Konjunktureintrübung

Weiterhin bestehen gegensätzliche Meinungen, ob die Wirtschaft der USA in eine Rezession fallen wird. Die jüngsten Konjunkturzahlen fallen positiv aus, während die Einkaufsmanagerindices oder Purchasing Managers Index (PMI) kein einheitliches Bild abliefern, aber eine positive Grundstimmung vermitteln. Auch in der Eurozone war die Stimmung zuletzt besser, unter anderem dank guten Wachstumszahlen aus Spanien. Italien wiederum ist mit dem ersten Quartal aus der Rezession gekommen.

Bedeutung: Hoch. Der weitere Verlauf der Aktienkurse hängt massgeblich von den Gewinnen und den Gewinnaussichten der Unternehmen ab. Diese wiederum sind abhängig von der Konjunktur. Nach wie vor sind aber Europa und die Eurozone gefährdeter als die USA – sowohl bei den Wachstumsaussichten als auch deren Folgen für den Aktienmarkt.

Höherer Ölpreis

Auch an der Entwicklung des Ölpreises hat Präsident Trump Anteil. Vorletzte Woche schickte der US-Entscheid, Exportausnahmen für den Iran zu streichen, den Preis des Schwarzen Goldes nach oben. Der Preis pro Fass der Nordseesorte Brent erreichte vergangene Woche sein Jahreshoch bei 75,60 Dollar. Doch der Handelsstreit USA-China liess den Preis wieder gegen 70 Dollar fallen, und zwar wegen Befürchtungen, China könnte wegen der Krise weniger Öl nachfragen.

Bedeutung: Mittel. Einen Einfluss auf den Ölpreis wird haben, wie schnell Saudi-Arabien und andere Produzenten den Ausfall iranischen Öls auf dem Weltmarkt zu kompensieren bereit sind. Mit Blick auf Aktien gilt: Der Ölpreis ist ein wichtiger Indikator für Aktienanleger, aber nicht der einzige. Seit einiger Zeit sind die Kurse des MSCI-Weltaktienindex’ und der Preis für Rohöl erstaunlich eng korreliert. Trotzdem lässt dies keinen eindeutigen Schluss auf die Weiterentwicklung der Aktienpreise zu.

Anstieg des Dollars

Währungsanalysten rechnen derzeit mit einer tendenziellen Abschwächung des Dollarkurses an den Devisenmärkten. Verstärkt wird diese Annahme durch das eher als sinkend prognostizierte Zinsniveau der USA. Ein unerwartet starker Anstieg des Kursniveaus der amerikanischen Währung hingegen hätte Einfluss auf die Rohstoffpreise und die finanzielle Lage der Schwellenländer, die zum Teil stark in Dollar verschuldet sind. 

Der Dollar-Index DXY misst die US-Währung an einem Korb aus Euro, Yen, Pfund, Kanada-Dollar, Schwedenkrone und Franken (Entwicklung vergangene fünf Jahre, Grafik: Bloomberg).

Bedeutung: Mittel. Ein Anstieg des Dollars hätte deutliche Folgen für die Konjunktur. Aus Sicht von Schweizer Anlegern wäre ein höherer Dollarkurs in Gegenzug aber ein Vorteil bei Unternehmen, die viel Umsatz im Dollarraum machen. Nur: Ein starker Kursanstieg der US-Devise ist dieses Jahr unwahrscheinlich.  

Politische Blockaden in Europa

Euroskeptische und populistische Parteien aus dem rechten und dem linken Lager dürften bei den Wahlen zum EU-Parlament zulegen, die zwischen dem 23. und dem 26. Mai durchgeführt werden. Zwei rechtsgerichtete Parteiengruppierungen könnten ihren Stimmenanteil gemäss Umfragen von 10 auf 14 Prozent ausbauen.

Der britische EU-Austritt wiederum ist bis Ende Oktober in die Verlängerung gegangen. Wie es am Ende herauskommt, ist genau so wenig abschätzbar wie vor dem ursprünglich geplanten britischen EU-Austrittstermin am 29. März. Wahrscheinlichste Szenarien sind derzeit ein sehr sanfter Brexit, oder gar kein Brexit. 2019 könnte sich auch der Sturz der britischen Premierministerin Theresa May ereignen, oder nach Neuwahlen gar eine neue Regierung unter dem Sozialisten Jeremy Corbyn.

Bedeutung: Limitiert bis deutlich limitiert. Die bisher tonangebenden Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien in der EU werden wohl Sitze verlieren, aber weiter das EU-Parlament dominieren. Das Problem, dass grosse Themen wie die Reform der Eurozone und des europäischen Bankensystems nicht angegangen werden, besteht indessen schon jetzt. Ein No-Deal-Brexit, wie ihn die Märkte fürchten, ist de facto vom Tisch. Die stärkeren Auswirkungen hat das Hin und Her um den Brexit sowieso auf das britische Pfund als auf die Aktienmärkte.