Die Regierung verschliesst davor die Augen aus Furcht, eine grosse Wählergruppe vor den Wahlen im kommenden Jahr zu verärgern. "Ich werde nur diese Samen verwenden oder gar nichts", sagt Rambhau Shinde, der seit fast vier Jahrzehnten Baumwolle im westlichen Bundesstaat Maharashtra anbaut. Das indische Umweltministerium hatte im vergangenen Jahr erklärt, dass der Anbau dieses Saatguts gegen das Gesetz verstösst und die Landwirte Gefängnisstrafen riskierten. Doch viele Bauern versuchen nach Jahren schwacher Ernten verzweifelt, ihre Erträge anzukurbeln, und ignorieren diese Warnungen.

Indien erlaubte erstmals 2002 gentechnisch verändertes Baumwoll-Saatgut von Monsanto und gab 2006 grünes Licht für eine verbesserte Variante. Neuere Sorten sind aber nicht erhältlich, nachdem der US-Saatgutriese - der kürzlich von Bayer übernommen wurde - 2016 einen Zulassungsantrag für seine neueste Variante wegen eines Konflikts mit der indischen Regierung zurückgezogen hatte. Monsanto befindet sich mit Indien seit Jahren im Streit über die Lizenzgebühren, die indische Saatgutfirmen für die Nutzung der Technik an das Unternehmen zahlen müssen.

Gleichwohl hat dieses Saatgut seither Einzug bei den Landwirten gehalten. Denn die bisher zur Verfügung stehende gentechnisch veränderte Sorte verliert an Wirksamkeit gegen den Baumwollkapselwurm, der an Baumwollfeldern grosse Schäden anrichten kann. Es sei schwer, die Bauern von etwas fernzuhalten, von dem sie einen Vorteil hätten, erklärt ein Regierungsbeamter in Neu Dehli, der sich mit gentechnisch verändertem Saatgut befasst. "Wenn sie ihnen den Anbau nicht erlauben, werden sie das Saatgut eben illegal aussäen." Ein Sprecher von Monsanto in Indien erklärte, man sei zuversichtlich, dass die Regierung diejenigen, die am illegalen Handel mit dem Saatgut beteiligt seien, strafrechtlich verfolgen werde.

Zahnlose Gesetze

Indien hat wegen Sicherheitsbedenken bis auf Baumwolle noch kein gentechnisch verändertes Saatgut anderer Pflanzen zugelassen. Die Bauern versprechen sich von der neuesten Variante des Monsanto-Baumwollsaatguts eine Senkung der Produktionskosten um bis zu 10.000 Rupien (150 Dollar) pro Hektar im Vergleich zu anderen Sorten. Schützenhilfe kommt von den Agrar-Gewerkschaften, die mit der Regierung von Premierminister Narendra Modi wegen des Preisverfalls bei vielen Agrarrohstoffen im Clinch liegen. Die Baumwollbauern fürchteten, ohne neue Saatgutsorten von anderen grossen Produzenten und Exporteuren wie den USA, Brasilien und Australien übertrumpft zu werden, sagt Anil Ghanwat, der Präsident eines Landwirtschaftverbands in Maharashtra ist.

Ghanwat hat die Bauern sogar dazu angespornt, das nicht genehmigte gentechnisch veränderte Saatgut auszusäen. "Wir werden sie schützen, wenn Regierungsbehörden versuchen, die Ernte zu zerstören oder sie mit Gerichtsverfahren belästigen." Im vergangenen Jahr fanden die Behörden kurz vor der Baumwollernte in wichtigen Produktionsstaaten wie Maharashtra und Gujarat im Westen und Andhra Pradesh und Telangana im Süden Plantagen mit nicht genehmigtem Saatgut. Im Februar warfen Behörden zwei Unternehmen in Telangana vor, dass die von ihnen verkauften Baumwollsamen Spuren der nicht zugelassenen Monsanto-Sorte enthielten. Die Firmen bestritten dies jedoch.

Verschiedene Staaten haben in diesem Jahr Überprüfungen eingeleitet, um den Verkauf der illegalen Samen einzudämmen. Die Bauern haben sich derweil ein Netzwerk aufgebaut, über das sie das Saatgut unter der Hand verkaufen, erklärt das Landwirtschaftsministerium in Maharashtra. Dieses Saatgut sei heimlich hergestellt worden, hauptsächlich in Gujarat und Telangana, und dann in andere Staaten geschmuggelt worden. In den vergangenen zwei Monaten hat Maharashtra nicht genehmigtes Saatgut im Wert von 12 Millionen Rupien (178.000 US-Dollar) beschlagnahmt - genug, um 10.000 Hektar anzubauen.

Die Landwirte sind bereit, für dieses Saatgut einen Aufschlag von bis zu 30 Prozent im Vergleich zu den älteren Sorten zu zahlen. Die starke Nachfrage nach dem illegalem Saatgut alarmiert Regierungsvertreter: "Sobald die Landwirte begreifen, dass Gesetze zahnlos sind, könnten sie gentechnisch veränderte Sojabohnen, Mais und andere Nutzpflanzen anbauen", sagte ein Beamter. "Das würde ernsthafte Auswirkungen auf unsere Artenvielfalt haben."

(Reuters)