Mit dem Exportverbot sollten Preissteigerungen im eigenen Land eingedämmt werden, teilte die Regierung des weltweit zweitgrössten Weizenproduzenten am Samstag mit. Eigentlich wollte Indien in diesem Jahr eine Rekordmenge von rund zehn Millionen Tonnen Weizen auf dem Weltmarkt verkaufen. Eine ungewöhnlich frühe Hitzewelle mit Temperaturen von weit über 40 Grad in Indien hatte zuletzt aber die Sorge vor einer Missernte geschürt.
Am Weltmarkt dürfte der Exportstopp die Preise nun weiter in die Höhe treiben, da dort wegen des Ukraine-Krieges und der dadurch ausbleibenden Lieferungen aus der Schwarzmeerregion Millionen Tonnen an Weizen fehlen. Vor allem ärmere Länder in Asien und Afrika würde das hart treffen. Indien erklärte am Samstag zwar, bereits bestehende Lieferverträge würden erfüllt und auch Länder, die ansonsten um "Nahrungsmittelsicherheit" fürchten müssten, würden beliefert. Die Ausfuhr weiterer Mengen werde aber gestoppt.
Durch den Krieg in der Ukraine können den Vereinten Nationen zufolge derzeit knapp 25 Millionen Tonnen bereits geerntetes Getreide nicht aus dem Land gebracht werden. Zudem wird sich die kommende Ernte nicht auf dem bisherigen Niveau halten lassen. Das treibt weltweit die Preise. In Deutschland etwa verteuerten sich die Weizen-Einfuhren im März binnen Jahresfrist um rund 65 Prozent.
Bundesagrarminister Cem Özdemir hatte Russland am Freitag vorgeworfen, Hunger gezielt als Kriegswaffe einzusetzen. Das gelte innerhalb der Ukraine, aber auch weltweit, da allein die Ukraine die Hälfte des Getreides für das Welternährungsprogramm liefere. Bundesaussenministerin Annalena Baerbock warnte am Samstag, bis zu 50 Millionen Menschen in Afrika und dem Nahen Osten seien durch die Krise zusätzlich von Hunger bedroht.
«Das Verbot ist schockierend»
"Das Verbot ist schockierend", sagte ein in Mumbai ansässiger Mitarbeiter eines globalen Getreidehändlers zu der jüngsten Entscheidung Indiens. Die Regierung habe offensichtlich auch auf die hohe Inflationsrate reagiert. Wie in anderen Ländern auch haben in Indien die Preise nicht nur für Getreide aufgrund stark gestiegener Kraftstoff-, Arbeits-, und Transportkosten deutlich zugelegt. Dazu sorgt die Hitzewelle für erste Ernte-Ausfälle.
Noch im Februar hatte die Regierung die Produktion von mehr als 111 Millionen Tonnen vorausgesagt, was die sechste Rekordernte in Folge gewesen wäre. Im Mai wurde die Prognose auf 105 Millionen gekappt, und Händler schliessen nicht aus, dass die Bauern letztlich weniger als 100 Millionen Tonnen einfahren werden. Das Exportverbot sei entsprechend auch ein Akt der Vorsicht, hiess es aus der Regierung. Einen grösseren Teil der Ernte kauft in Indien jedes Jahr der Staat, um das Getreide ärmeren Bevölkerungsschichten zukommen zu lassen.
(Reuters)