Die Botschaft an der Medienkonferenz am Dienstagvormittag in Bern war klar: Eine Überlastung des Gesundheitswesens sei nicht mehr zu erkennen, zudem sorge die Omikron-Variante für mildere Krankheitsverläufe, sagten die Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Verbände und bürgerlicher Parteien.

Organisiert hatte den Anlass der SGV, anwesend waren auch Vertreterinnen und Vertreter der Parteien FDP, SVP und Die Mitte, des Fitness- und Gesundheitscenter Verbandes, von Gastrosuisse und der Expo Event Swiss Livecom Association.

Ruf nach «Freedom Day» Anfang Februar

Quarantäne- und Isolationsmassnahmen sowie die Homeoffice-Pflicht seien sofort aufzuheben, sagte SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler. Der Bundesrat solle das Heft wieder in die Hand nehmen und "die unsägliche Task Force" nach Hause schicken. Diese sei demokratisch nicht legitimiert und verbreite mit ihren Untergangsszenarien Angst und Panik.

Der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter forderte die Aufhebung aller Massnahmen bereits am 2. Februar - einen "Freedom Day", wie ihn etwa die britische Regierung schon im vergangenen Sommer einmal ausrief. Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer sagte, die Zertifikatspflicht verhindere keine Ansteckungen mehr, denn die Leute steckten sich an, und zwar überall, mit oder ohne Zertifikat.

Die Replik folgte am Dienstagnachmittag am Point de Presse des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes. Geduld sei gefragt, sagte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), vor den Bundeshausmedien in Bern.

Fortschritte nicht verspielen

Der Höhepunkt der Omikron-Welle sei noch nicht erreicht, warnte Mathys. Falls jetzt ein "Freedom Day" ausgerufen werde, stiegen die Fallzahlen noch stärker an. Es sei schade, wegen zwei oder drei Wochen Fortschritte zu verspielen. "Das macht einfach keinen Sinn".

Auch wenn die Spitäler nicht überfordert seien, gebe es Gründe, das Infektionsgeschehen weiter zu kontrollieren, so Mathys. Aus epidemiologischer Sicht seien die Massnahmen deshalb noch eine gewisse Weile aufrechtzuerhalten. So vermeide man unnötiges Leid.

Der Ökonom Jan-Egbert Sturm, Professor an der ETH Zürich und einer der Vizepräsidenten der Taskforce, sagte, ein sogenannter "Freedom Day" könnte gerade für die Branchen, die nun danach riefen, zum "Schuss in den eigenen Fuss" werden.

Lage in Spitälern stabil

Mathys bestätigte jedoch, die Zahl der Hospitalisationen sei stabil oder sinke eventuell leicht. Die Zahl der Todesfälle sei auf tiefem Niveau ebenfalls stabil. Wieso sich in der Schweiz anders als andernorts in Europa die Zahl der Spitaleintritte fast vollständig von jener der Neuansteckungen entkoppelt habe, sei noch nicht klar. Die Schweiz scheine ein Sonderfall zu sein.

Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurden am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 36'658 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Gleichzeitig registrierte das BAG 12 neue Todesfälle und 121 Spitaleinweisungen.

Tatsächlich ist gemäss Mathys allerdings davon auszugehen, dass sich in der Schweiz pro Tag etwa 100'000 Menschen mit dem Coronavirus anstecken. Die hohe Positivitätsrate bei Tests weise auf eine erhebliche Dunkelziffer hin.

Worst-Case-Szenario nicht bestätigt

Die schlimmsten Befürchtungen der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes werden laut Urs Karrer, Vizepräsident der Taskforce, wohl nicht Realität. Man werde sich wohl im unteren Bereich der Schätzungen bewegen. Vor zwei Wochen hatte die Taskforce gewarnt, Mitte Februar könnten pro Woche 80 bis 300 zusätzliche Covid-Erkrankte Intensivpflege benötigen.

Karrer ist zuversichtlich, dass auf den Intensivstationen eine nachhaltige Entspannung möglich ist. Auf den Normalstationen - also den Akutbetten - könne es durchaus weiterhin zu relevanten Belastungen kommen.

Änderung bei Spitaleintritten schon vor Omikron

Zugleich warnte Karrer, im Hauptberuf Chefarzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital Winterthur, davor, die gegenwärtige Entwicklung falsch zu interpretieren. Die Omikron-Variante des Coronavirus sei nicht einfach harmlos.

Schon seit November beobachte man einen massiven Abfall der Hospitalisierungsrate nach Corona-Infektionen, erklärte Karrer. Damals sei noch die Delta-Variante dominant gewesen. Die wichtigsten Gründe für die Entwicklung für seien die zunehmende Immunität in der Bevölkerung durch die Impfung und das Verhalten der Älteren, die sich vorsichtig verhielten. Erst an dritter Stelle folgten als Grund die spezifischen Eigenschaften der Omikron-Variante.

(AWP)