Konkret widmete sich das zweitägigen Symposium dem Thema der hunderttausenden Kinder und Jugendliche, die Opfer von Ausbeutung, Misshandlungen und sexuellem Missbrauch wurden. Die schlimmsten Missbräuche geschahen in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen.

In mehreren Ländern Europas gab es bis vor einigen Jahren noch Kindesentzug, Zwangsadoptionen, Sterilisationen und Experimente mit Medikamenten an Jugendlichen. In vielen Fällen waren die Behörden mitverantwortlich an diesem Leid oder beschützen die Kinder nicht vor Gewalt. In der Mehrheit der Länder wurde die Aufarbeitung dieser Missbräuche noch nicht wirklich in Angriff genommen.

Es gebe Handlungsbedarf, sagte Guido Fluri. Er hatte vor rund sieben Jahren die Volksinitiative "Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen" lanciert. "Die Mehrheit der Opfer ist heute betagt und gebrechlich." In ganz Europa hätten sie das Recht, endlich auf Anerkennung als Opfer und auf Wiedergutmachung, sagte Fluri weiter.

Schweizer Beispiel will Schule machen

Die Aufarbeitung der Vergangenheit in der Schweiz sei von den Nachbarstaaten mit grossen Interesse verfolgt worden, sagte Fluri. Die Motion könne einen ähnlichen Prozess in Europa auslösen. Als Erstes soll sie an der Parlamentarischen Versammlung des Europarats von Pierre-Alain Fridez vorgestellt werden.

"Diese Initiative ist zentral für Europa", sagte Fridez. Es gehe dabei jedoch nicht nur darum, die Vergangenheit zu akzeptieren, sondern vielmehr darum, eine Zukunft aufzubauen. Mit der Motion soll laut Fridez ein starkes Zeichen der Unterstützung in Strassburg gesetzt werden.

Teilnahme aus 17 Ländern

Am Symposium - unter der Schirmherrschaft der Stiftung von Guido Fluri - nahmen Universitätsmitglieder, Spezialisten, Opfer-Vertreter und -vertreterinnen sowie Mitglieder von Nicht-Regierungsorganisationen aus insgesamt 17 Ländern Europas teil. Darunter auch die britische Aktivistin Mary Lodato oder Sabine Andersen, Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland.

Auch verschiedenen Persönlichkeiten aus der Schweiz waren anwesend: etwa Helen Keller, ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Luzius Mader, ehemaliger stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Justiz (BJ), Susanne Kuster, stellvertretende Direktorin im BJ sowie mehrere Mitglieder des Nationalen Forschungsprogramms "Fürsorge und Zwang - Geschichte, Gegenwart, Zukunft" (PNR 76).

(AWP)