Die vermutlich berühmteste Prognose, die sich als desaströs falsch erwies, stellte ein britischer Ingenieur im Jahr 1912. Die Rede ist natürlich von jener x-fach zitierten Aussage, das prachtvolle Passagierschiff Titanic sei unsinkbar, bevor es dann am 14. April 1912 in einen Eisberg fuhr und mit dem Verlust von 1514 Menschenleben im Nordatlantik unterging.

Die Wirtschaftsgeschichte kennt aber noch andere solche Voraussagen. Vollmundige Ankündigungen, trotzige Erklärungen oder falsche Einschätzungen sind schnell vorgenommen. Die Realität ist dann eine andere. Auch in der Schweiz und in ihren wichtigsten Unternehmen kamen solche Entwicklungen vor.

Finnland, Ende der 90er Jahre: Das Smartphone ist zu kompliziert

Der Smartphone-Boom hat Apple und Samsung und deren Aktionäre reich gemacht. Die iPhones und Galaxys sind Teil der Alltagskultur geworden, und zahlreiche Hersteller haben ihre eigenen Versionen des Minicomputers mit Touchscreen, der im Kein einmal ein drahtloses Telefon gewesen ist, auf den Markt gebracht. So auch die finnische Firma Nokia.

Doch Nokia leidet stark darunter, den Anschluss an den Smartphone-Markt am Anfang verpasst zu haben. Nur war es der finnische Konzern, der schon vor fünfzehn Jahren einen Computer mit Berühr-Bildschirm und Telefonfunktion entwickelt hatte. Auf den Markt kam das Gerät nicht, wohl weil man dachte, das System sei zu sperrig und der Kunde wolle lieber ein kleines Mobiltelefon, nachdem er noch weniger Jahre davon hauptsächlich per Festnetz kommuniziert hatte. Der Nokia-"Knochen", das Modell 1011 von 1992, galt schon als enorme Innovation, genauso wie seine kleineren Nachfolger.

Es war schliesslich der kalifornische Konzern Apple, der 2007 mit dem iPhone die Welt veränderte und einen Siegeszug begann.

Schweiz, 14. Januar 2015: Die Kursuntergrenze besteht noch lange

Zwar hat die Schweizerische Nationalbank SNB stets betont, dass die am 6. September 2011 eingeführte Euro-Untergrenze bei 1,20 Franken nur temporären Charakter habe. Aber die Massnahme verankerte sich so schnell im Schweizer Wirtschaftsleben, dass eine Welt ohne Wechselkursuntergrenze kaum vorstellbar schien. Die SNB-Direktoren sagten auch häufig, dass an dieser Politik nichts geändert werde, auch wenn zur Verteidigung des Kurses massive Deviseninterventionen nötig waren.

Doch Aussagen von Notenbankern sind immer auf mehrere Weisen interpretierbar, denn diese wollen und können sich nicht in die Karten schauen lassen. Man will den Märkten nicht zu viele Hinweise geben, zumindest ausserhalb der englischsprachigen Länder.

Der Schock war daher enorm, als die SNB am 15. Januar die Untergrenze aufhob, der Kurs in die Tiefe rasselte das Wechselkursverhältnis nun zwischen 1,04 und 1,08 Franken schob. Die Nationalbank bekam in der öffentlichen Wahrnehmung bei einigen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Reisende und Einkaufstouristen wundern sich noch immer, dass das Euro-Ausland jetzt noch billiger ist.

Deutschland, Mitte Juli 2015: Griechenland tritt aus dem Euro aus

Spätestens nachdem am 5. Juli 61,3 Prozent der griechischen Stimmbürger "Ochi", also nein zur Rettungspolitik sagten, war für viele klar: Das Mittelmeerland hat sich aus dem Euro herausgewählt. Der "Grexit", also ein je nach dem geordneter oder unkontrollierter Austritt des überschuldeten Landes aus der europäischen Währungsgemeinschaft, ist schon seit langem ein Lieblingsthema für Politiker und Kommentatoren. Wortführer wie etwa der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn sagten immer wieder, um Griechenland wäre es letztlich besser gestellt, wenn es eine eigene Währung hätte. Sie halten sich ans Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Aber es kam anders: Mitte Juli schnürten die Geldgeber – EU, Weltwährungsfonds und die Europäische Zentralbank – ein neues Rettungspaket mit strengen Sparauflagen und, bizarre Kapriole nach dem Nein im Referendum: Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras von der Anti-Austeritätspartei Syriza nahm es an. Mit Teilen seiner Partei, letztlich aber den Stimmen der Opposition, brachte er es durchs Parlament.

Die Griechenland-Krise dauert allerdings schon seit 2010 an und ist nach wie vor nicht gelöst. Das Tauziehen und die Bedingungen geht weiter. Daher kann es sein, dass die Prognose "Griechenland tritt aus dem Euro aus" erneut gestellt werden wird.

Bern, März 2008: Das Bankgeheimnis ist unverhandelbar

Bundesrat Hans-Rudolf Merz von der FDP sagte im März 2008 an die EU gerichtet: "Am Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen." Seit 1934 schützte die Schweiz Informationen über Bankkunden, vor allem auch solche, die für Steuerämter wichtig sind, offiziell per Gesetz. Trotz gelegentlicher Kritik aus dem Ausland schien diese Praxis irgendwie akzeptiert. Basis der Schweizer Politik war lange die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Steuerhinterziehung war kein Grund, ausländischen Amtshilfegesuchen stattzugeben. Bankkunden mit unversteuerten Geldern in der Schweiz fühlten sich relativ sicher.

Nur sah es das Ausland am Ende doch anders. Die Finanz- und Schuldenkrise, die 2007 ihren Anfang nahm, änderte aber vieles. Bundesrat Merz selbst unterschrieb als Finanzminister einige der Verträge, die das Bankgeheimnis etwas weniger zu einem Geheimnis machten. Die entscheidenden Rammstösse gegen die helvetische Diskretion kamen aber nicht aus Europa, sondern aus den USA. Diese drohten den Banken mit Lizenzentzug, und als der bedrängten UBS im Februar 2009 per bundesrätlichem Notrecht erlaubt wurde, Kundendaten an die USA zu übergeben, war das Bankgeheimnis Geschichte.

Zumindest gegen aussen – im Inland gibt es das Bankgeheimnis nach wie vor, auch wenn mittlerweile auch darüber diskutiert wird.

Schweiz, im Jahr 2000: Die Swissair ist ein Monument und geht nicht unter

Die Swissair war ein Schweizer Monument. Die 1931 gegründete nationale Airline war mit dem Schweizer Selbstverständnis von Perfektion und Sicherheit verwoben wie kaum ein anderes Unternehmen. In den 90er Jahren begann die ehrgeizige "Hunter-Strategie", die aus der Airline einen multinationalen Konzern mit einer Vielzahl von Unter-Gesellschaften machte. Bei aller Exzellenz, welche die Swissair als Fluggesellschaft bewies: Dies riesige und schnell gewachsene Konzernkonglomerat um die Airline herum geriet in die Schuldenfalle.

Dieses fiel mit der Flugverkehrskrise nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wie ein Kartenhaus in sich zusammen, mit einem spektakulären Tiefpunkt: Am 2. Oktober ging der Swissair das Geld aus, die Banken verweigerten weitere Kredite, das Flugbenzin konnte nicht mehr bezahlt werden, und die Flugzeuge blieben am Boden. Mit dem "Grounding" war das Undenkbare passiert. Der Schaden war gross, emotional, volkswirtschaftlich und auch für all jene Anleger, die bis zum Ende auf Swissair-Aktien gesetzt hatten.

New York, 2005: Die Ausfallrisiken am US-Häusermarkt sind überschaubar

Die Verbriefung von Hypothekenschulden amerikanischer Bürger boomte nach der Jahrtausendwende. Und je weiter die in Wertpapieren gebündelten "Mortgages" verkauft wurden, desto mehr verlagerte sich das Risiko von den oft klammen US-Häuschenbesitzern und ihren ursprünglichen Kreditgebern weg. Die Hypotheken für wenig kreditwürdige Kunden nannte man "Subprime".

Das Problem lag darin, dass Banker und Ökonomen in ihren Modellen davon ausgingen, dass die Immobilienpreise steigen und steigen. Die Investmentbank Lehman Brothers schätzte 2005 die Chancen im Verhältnis 4:1 ein, dass die Preise weiter um fünf Prozent im Jahr anschwellen würden. Dazu kam, dass verbriefte Papiere den Banken zunächst enorme Erträge und den Banken satte Boni brachten. Entweder verstanden sie die Risiken zu wenig, oder sie schauten weg.

Als die Preise zu fallen begannen, und die amerikanischen Hausbesitzer ihre Hypothenken nicht mehr bedienen konnte, geriet Anfang 2007 alles ins Rutschen. Die massiv ins Subprime-Geschäft investierte Lehman Brothers kollabierte im September 2008 als erste Grossbank und riss beinahe das ganze Welt-Finanzsystem in den Abgrund.