Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sieht sich seit Quartalen einer grösser werdenden Gefahr gegenüber: Einer eintretenden und sich festsetzenden Deflation. Die SNB rechnet im nächsten Jahr nämlich mit einer negativen Inflationsrate von 0,1 Prozent. Erst 2016 wird wieder eine leichte Teuerung von 0,3 Prozent erwartet. Die Inflationsprognose 2014 schraubte die SNB auf 0,0 Prozent herunter.

SNB-Präsident Thomas Jordan sieht noch keinen Grund zur Panik, wie er im cash-Video-Interview festhält: "Es ist nicht so schlimm, wenn die Inflation kurzfristig im negativen Bereich liegt", so Jordan. "Wichtig ist, dass die Inflation mittel- und langfristig im unteren positiven Bereich liegt. Das ist die Zone, in welcher die Wirtschaft am besten funktioniert."

Laut Jordan begünstigten in den letzten Jahren "eine ganze Serie von negativen Störungen" die SNB-Prognose eines Preisrückgangs in der Schweiz im nächsten Jahr. Gemäss Jordan haben "die massive Aufwertung des Frankens, die Wirtschaftskrise in Europa und nun auch der sinkende Ölpreis" die Inflation nach unten getrieben, wie er gegenüber cash festhält.

Während einer Deflation profitieren Konsumenten zwar von sinkenden Preisen, in Erwartung weiterer Preissenkungen halten sich die Konsumenten allerdings dann in der Regel zurück. Der Wirtschaftsmotor gerät ins Stottern, und zwar für Jahre. "Wir setzen alles daran, damit wir die Preisstabilität gewähren können", so Jordan zu cash.

Kommen die Negativzinsen?

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) kämpft mit den sinkenden Preisen im Euroraum. Die EZB strebt ein stabiles Preisniveau bei einer Jahresteuerung von knapp unter 2,0 Prozent an. Davon ist sowohl die Rate im Euroraum als auch in Deutschland seit Monaten weit entfernt. Der starke Rückgang der Ölpreise könnte die Inflation in den kommenden Monaten in den negativen Bereich drücken, warnte EZB-Chefökonom Peter Praet diese Woche. Dann wäre sie auf dem prognostizierten Niveau der Schweiz.

Beobachter erwarten wegen der niedrigen Inflation und des schwachen Wachstums in Europa, dass die EZB im ersten Quartal des kommenden Jahres zu umfassenden Staatsanleihekäufen greift. Als Folge müsste die SNB dann in der Schweiz Negativzinsen auf Girokonten bei der Nationalbank einführen, sagen viele Ökonomen, damit die SNB den Aufwertungsdruck auf den Franken dämpfen kann.

Thomas Jordan will sich im Gespräch mit cash nicht zu einem solchen Zusammenhang äussern. Er betont aber erneut, dass die SNB die Einführung von Negativzinsen nicht ausschliesst. Die Situation in der Eurozone betrachtet Jordan als "nicht sehr rosig. Aber wir gehen nicht davon aus, dass es zu einer grossen Finanzkrise kommen wird. Für die Schweiz ist es sehr wichtig, dass sich die Situation in der Eurozone verbessert." Dazu seien aber auch Strukturreformen in den Eurozonen-Ländern notwendig.

Wegen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der Deflationsgefahren bleibt in der Schweiz eine Zinswende in weiter Ferne: Die SNB beliess das Zielband für ihren Leitzins am Donnerstag bei 0 bis 0,25 Prozent. Ebensowenig rüttelt die SNB an der Kursuntergrenze zum Euro von 1,20 Franken.

Im cash-Video-Interview äussert sich Thomas Jordan auch zum Mandat der Nationalbank und zur Frage, ob an den Märkten Spekulationsblasen drohen.