Grund für den Abwärtstrend ist eine eher seltene Mischung aus Konjunkturzuversicht und der Erwartung einer Lockerung der Geldpolitik. Fortschritte bei der Entwicklung von Coronavirus-Impfstoffen könnten nach Einschätzung der Commerzbank die Aussichten auf eine Konjunkturbelebung aufhellen und den Auftrieb der Verbraucherpreise ankurbeln, was die Realrenditen weiter unter Druck bringen würde.

Ausserdem dürfte die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen niedrig halten und im Dezember weitere geldpolitische Lockerungen vorstellen, um die laufenden und umfangreichen Haushaltsausgaben in Europa zu unterstützen, erklärte Christoph Rieger, Leiter Fixed-Income-Strategie der Bank. Dies würde die Staatsanleiherenditen drücken, merkt er an.

Von Deutschland bis Italien nehmen Staaten in diesem Jahr Rekordbeträge am Kapitalmarkt auf. Grund dafür sind ihre umfangreichen Ausgaben, um den wirtschaftlichen Schäden durch die Coronavirus-Pandemie entgegenzuwirken. Darüber hinaus hat die Europäische Union mit der Emission von gemeinsamen Schulden begonnen, um die schwächeren Volkswirtschaften der Region zu unterstützen.

Tiefe Realrenditen zwingend

"Wir könnten mehr Abwärtspotenzial sehen, wenn die Erwartungen vor der EZB-Sitzung im Dezember steigen", sagte Rieger. "Impfstoffhoffnungen halten die Inflation Break-Evens höher, während die Zentralbank-Hoffnungen die nominalen Renditen in Zaum halten. Extrem niedrige Realrenditen sind eine Voraussetzung dafür, um diesen massiven Schuldenaufbau zu überstehen. Wenn die Realrenditen spürbar steigen würden, wäre das Spiel vorbei."

Deutschlands zehnjährige Breakeven-Sätze - ein marktbasiertes Mass der Inflationserwartung - haben in diesem Monat um 15 Basispunkte auf 0,85 Prozent zugelegt. Es war der stärkste monatliche Anstieg seit Juli 2019. Die nominalen Anleiherenditen mit ähnlicher Laufzeit liegen mit minus 0,57 Prozent unter dem Einlagensatz der EZB und nahe einem Zwei-Wochen-Tief.

Während die zehnjährige Realrendite der Bundesanleihen auf minus 1,48 Prozent gefallen ist, hat sich ihr US-Pendants von ihrem Rekordtief des letzten Quartals aus um 24 Basispunkte auf minus 0,89 Prozent erholt. Grund für die Belebung des US-Satzes war der Schwenk der Federal Reserve hin zu einem flexibleren Inflationsziel. Die Fed strebt nun über die Zeit eine Jahresteuerung von durchschnittlich 2 Prozent an.

(Bloomberg)